Integration erstmals umfassend untersucht. | Die zweite Generation der Migranten nimmt zu. | Wien. "Unser Anspruch war es ein Gesamtbild der Stadt zu erstellen", betonte der Integrationsexperte Kenan Güngör bei der Präsentation des Integrations- und Diversitätsmonitors der Stadt Wien am Donnerstag. Er ist einer der Autoren dieser umfassenden wissenschaftlichen Bestandsaufnahme, die künftig alle zwei Jahre erstellt werden soll. Beteiligt waren auch das Europaforum und die Magistratsabteilung 17 (Integration und Diversität).
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Das Ziel war eine genauere Analyse der Situation der Wiener Bevölkerung mit Migrationshintergrund anhand von statistischen Daten. 44 Prozent der Wiener Bevölkerung weist demnach einen Migrationshintergrund auf, wobei auch jene hinzugezählt werden, bei denen nur ein Elternteil im Ausland geboren wurde. Nicht berücksichtigt wurde hingegen die dritte Generation.
"Das hat auch methodische Gründe", meint Güngör im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Für Studien genügen Stichproben und Umfragen, doch bei einem Monitoring sind die Auflagen höher. Die nötigen Registerdaten sind spärlich." Davon abgesehen sei es nur bei einigen ethnischen Gruppierungen - etwa den türkei-stämmigen - sinnvoll, die dritte Generation überhaupt zu thematisieren. Bei deutschen Großeltern spiele die dritte Generation etwa überhaupt keine Rolle. "Die dritte Generation ist eine Grenzgeneration", so Güngör. "Wir wollten die zweite Generation so gut wie möglich abbilden."
Und gerade diese Gruppe wird zunehmend bedeutender. Im Zeitvergleich zu 1997 ist etwa der Anteil von Kindern, deren beide Elternteile in Österreich geboren wurden, von 35,8 Prozent auf 19 Prozent gesunken. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil von Kindern, deren Elternteile im Ausland geboren wurden, von 27 auf 33,5 Prozent.
"Wo noch viel zu tun ist, ist die vorschulische Bildung", zieht die Leiterin der MA 17 Ursula Struppe ein erstes Resümee. "Je früher Kinder vor dem Schuleintritt in den Kindergarten kommen, desto besser schneiden sie bei Sprachstandsprüfungen ab." Bei den Erwachsenen sieht Struppe Probleme bei einer eher unauffälligen Gruppe, den Akademikern: "67 Prozent der arbeitslosen Akademiker sind Migranten, die im Ausland studiert haben. Hier werden Qualifikationen nicht genutzt - zu deren Nachteil und zum Nachteil für den Staat."
Positiv sieht Struppe, dass sich die migrantische Bevölkerung abseits der typischen Bezirke gleichmäßiger auf die gesamte Stadt verteilt. "Das hat mit der verbesserten Einkommenssituation zu tun und dem Entschluss, endgültig hier bleiben zu wollen", so Struppe. Insgesamt durchleuchtet der Monitor das Leben der Migrant in acht wesentlichen Lebensbereichen, darunter auch Arbeitsmarkt und Zusammenleben.
Migranten in Verwaltung noch immer selten
Darüber hinaus untersuchten die Autoren auch, inwieweit die städtische Verwaltung auf eine multi-ethnische Bevölkerung eingeht. Die Ergebnisse stützen sich unter anderem auf Interviews in 30 Abteilungen, die besonders viel mit Migranten zu tun haben. Sie wurden zum ersten Mal systematisch gesammelt und ausgewertet.
Dabei zeigte sich, dass in der Verwaltung sehr unterschiedlich intensiv über Integration und Migration nachgedacht wird. Das beginnt beim Angebot von mehrsprachigem Informationsmaterial und geht bis zum explizitem Anwerben von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund. Hier sieht Kenan Güngör eines der großen Defizite: "Die Berufsbilder im Verwaltungsbereich sind auf der einen Seite bei Migranten nicht sehr verbreitet, auf der anderen Seite gibt es einen internen Jobmarkt, in den man nicht so leicht hineinkommt." Es gäbe auch sehr bemühte Abteilungen, wie die städtischen Bibliotheken, die gerne mehr Migranten einstellen würden, aber keine qualifizierten Personen finden.
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit den Studienautoren und weiteren Integrationsexperten, kamen aus dem Publikum geteilte Ansichten zum Monitor. Der Migrationsforscher Bernhard Perchinig von der Akademie der Wissenschaften kritisierte die Überbetonung des Faktors Geburtsort als "Migrationsastrologie". August Gächter vom Zentrum für soziale Innovation bemängelte das dürftige Datenmaterial, das für Studien zur Verfügung stehe: "Konkret müsste hier auch von den Magistratsabteilungen mehr gemacht werden."
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