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Hochschule fordert neues Lehramt. | Kritik: "Es wird diskutiert, aber nicht reagiert". | Ministerium: "Sind bereits tätig". | Wien. "Ich unterrichte Klassen, in denen kein einziges deutschsprachiges Kind sitzt", berichtet eine Volksschullehrerin, die seit 20 Jahren in Wien tätig ist. In ihrer Laufbahn hat sie Erfahrungen in zahlreichen Wiener Bezirken gesammelt. "Im 10., 15., 16., 17. und Randgebieten des 18. Bezirks ist die Durchmischung mit Kindern mit Migrationshintergrund besonders hoch", betont sie.
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Laut Wiener Stadtschulrat ist der Gesamtanteil an Migranten an den Wiener Volksschulen seit Jahren gleich: Er liegt bei 46 Prozent. Dennoch scheint die Anpassung der Volksschullehrer an diese Situation hinten nach zu hinken. Deren diesbezügliche Ausbildung ist laut einer Studie einer Lehrerin an der Pädagogischen Hochschule (PH) schlecht (die "Wiener Zeitung" berichtete).
Dass die PH sowie das Unterrichtsministerium die Integrationswelle offenbar verschlafen haben, wird von der Bildungspsychologin Christiane Spiel bemängelt. "Eine Reform im Bildungssystem, das auf die Integration Rücksicht nimmt, wird seit 2004 diskutiert", klagt sie, "von Seiten der Ausbildung wurde aber noch nicht reagiert."
Erst jetzt scheint die PH nach einer langfristigen Lösung zu suchen. Fordert sie doch laut Rektorin Dagmar Hackl die Einführung des neuen Lehramtes "Integrationslehrer". Denn die bereits eingesetzten 200 Lehrer, die zum Teil die Muttersprache der Kinder sprechen können, sind auch in ihren Augen zu wenig.
Diese wurden lediglich vom Dienstgeber, also der jeweiligen Schule, zum Integrationslehrer ernannt. "Indem er durch Zusatzqualifikationen, die er während seines Studiums belegt hat, die Voraussetzungen dafür mitbringt", präzisiert Hackl.
"Daraus, dass es viel zu wenig Integrationslehrer gibt, erwächst ein großes Problem", meint die Volksschullehrerin dazu. Ob eine Schule diesen zugeteilt bekommt, richte sich nämlich nach der Höhe des Ausländeranteils. "Viele Schüler, die österreichische Staatsbürger sind, können aber kein Wort Deutsch", sagt sie, "weil ihre Eltern vielleicht schon lange da sind, sich mit dem Kind aber nur in ihrer Muttersprache unterhalten."
Außerdem könnten sich die Integrationslehrer derzeit immer nur einzelne Kinder aus dem Klassenverband holen, um diese muttersprachlich zu fördern - danach ziehen sie zu anderen Klassen oder Schulen weiter. "Viel besser wäre permanentes Teamteaching", meint die Pädagogin, "sonst kommen die Kinder mit dem Nachholen nicht nach. Denn was sie versäumt haben, während sie draußen waren, haben sie ja von der Stunde versäumt."
"Es wird verhandelt"
Dass das Problem künftig durch speziell ausgebildete Lehrer behoben wird, liegt auch im Sinne des Unterrichtsministeriums, das für die PH zuständig ist. "Die Lehrerausbildung soll auf vollkommen neue Beine gestellt werden", betont Sprecher Nikolaus Pelinka. Wie die Lehrerbildung der Zukunft aussieht, werde derzeit u.a. mit Vertretern der Pädagogischen Hochschule diskutiert. Zeitgleich liefen die damit verbundenen Budget-Verhandlungen mit dem Finanzministerium.
Auch über das Dienstrecht an der PH werde verhandelt - laut Hackl sind PH-Lehrer nämlich nicht zur Forschung berechtigt. Diese würde aber dabei helfen, die Schwerpunkte in der verpflichtenden Ausbildung richtig und zeitgerecht zu setzen. Das Fach "interkulturelle Bildung" ist in dem dreijährigen Studium derzeit nur als Wahlpflichtfach möglich. "Und falls uns mehr Zeit für die Ausbildung zugestanden würde - unser Anliegen wären vier Jahre -, könnten wir im letzten Jahr Integration als Masterstudium anbieten", so Hackls Zukunftsvision.