Der Plan der britischen Premierministerin zum EU-Austritt ihres Landes stößt auf allen Seiten auf Ablehnung.
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London. Zum ersten Mal hat nun eine prominente konservative Politikerin ein neues Brexit-Referendum gefordert. Die Tory-Abgeordnete Justin Greening, die bis Anfang des Jahres Premier Theresa Mays Bildungsministerin war, sieht in einer zweiten Volksabstimmung den einzigen "Weg vorwärts" aus dem Chaos, in das sich ihre Partei manövriert hat.
Greening äußerte am Montag die Überzeugung, dass die Brexit-Situation so verfahren sei, dass sie von Parteien und Politikern nicht mehr gelöst werden könne. Die einzige Lösung sei, "die endgültige Brexit-Entscheidung aus den Händen handlungsunfähiger Politiker zu nehmen" und sie wieder in die der britischen Bevölkerung zu legen. Die Menschen sollten die Wahl haben zwischen dem für Herbst erwarteten Ergebnis der Verhandlungen Mays mit Brüssel, einem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU ganz ohne Vereinbarung - oder dem Verbleib des Landes in der Gemeinschaft.
Mit ihrem Vorschlag brach Greening, die beim Austrittsreferendum vor zwei Jahren für eine weitere Anbindung an die EU gestimmt hatte, ein Tabu in ihrer Partei. Dabei, erklärte die Ex-Ministerin, dächten auch "andere führende Konservative" wie sie.
Ausweg aus verfahrener Lage?
Bisher hatten Tory-Politiker die Idee eines zweiten Votums verworfen. Das Unterhaus hatte eine parlamentarische Abstimmung über das Ergebnis der Verhandlungen zwischen London und Brüssel verlangt, bei der May nur die Alternative eines Deals oder keines Deals zur Wahl stellen wollte - nicht aber die Möglichkeit eines Verbleibs in der EU.
Auf Greenings Vorschlag reagierte die Premierministerin mit der Erklärung, ein neues Referendum werde es "unter gar keinen Umständen" geben. Die Idee eines zweiten Volksentscheids beginnt allerdings zunehmend auf Interesse zu stoßen.
Bis jetzt verlangten nur die Liberaldemokratische Partei, die britischen Grünen, einzelne Labour-Abgeordnete und ein paar bekannte Größen wie die Ex-Premierminister Tony Blair sowie John Major eine neue Volksabstimmung zum künftigen Verhältnis ihres Landes zur EU. Die Labour Party, die wichtigste Oppositionspartei, zeigt sich seit neuestem aber "offen" für den Vorschlag - nachdem "Momentum", der überwiegend pro-europäische Verband der Parteilinken, für ein frisches Volksvotum plädiert und vorigen Monat auch die wichtigste Labour-Geldquelle, die Gewerkschaft Unite, ihren ursprünglichen Vorbehalt gegen ein neues Referendum fallen gelassen hatte.
Den Konservativen böte Greenings Vorschlag einen Ausweg aus einer hoffnungslos verfahrenen Lage. Die Partei zerfällt derzeit in drei Lager. Die Gefolgschaft Mays unterstützt den komplizierten Plan, den die Premierministerin und ihr Kabinett für einen freien Güterverkehr ausgetüftelt haben, der aber keine Mehrheit finden wird im Unterhaus - und den die EU so kaum akzeptieren kann. Die Parteirechte wiederum, die mehrere Dutzend Abgeordnete umfassende Gruppe der Brexit-Hardliner, betrachtet den Plan als "Verrat" und droht der Parteichefin mit Absetzung, falls sie keinen harten Brexit verfolgt. Eine dritte, kleinere Gruppe, die der ausgesprochenen Pro-Europäer, drängt auf weitere Mitgliedschaft Großbritanniens zumindest im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Viele konservative Abgeordnete, die das bislang nicht zu sagen wagen, sähen ihr Land am liebsten weiter in der EU.
Rechtsexperten im Vereinigten Königreich weisen freilich darauf hin, dass ein neues Referendum nicht mehr vor dem Stichtag des 29. März 2019 - dem offiziellen Austrittsdatum Großbritanniens aus der EU - stattfinden könnte. Damit müsste die Regierung zunächst einmal die EU um Aufschub beim Austritt bitten - und die 27 EU-Partner müssten dies auch gewähren.
Klar ist unterdessen zu Beginn dieser Woche, dass Mays neuer Plan für das künftige Verhältnis zur EU auf allen Seiten auf Ablehnung stößt. Darüber hinaus muss die Premierministerin noch immer befürchten, dass die Brexit-Hardliner in ihrer Fraktion einen Misstrauensantrag gegen sie einbringen werden. Um dem vorzubeugen hat May am Montag einigen Änderungen zugestimmt, die die Befürworter eines harten Schnitts gefordert haben. So soll etwa ein Zollabkommen mit der EU davon abhängig gemacht werden, ob Brüssel bereit ist, an EU-Außengrenzen zwei unterschiedliche Zollsätze zu erheben: einen für Waren, die für Großbritannien bestimmt sind, und einen anderen für Güter, die in der EU.