Im Rahmen der Wien-Woche präsentieren Jugendliche mit Migrationshintergrund die Aufführung "Gemma Richard?" - der Inhalt spiegelt ihre täglichen Erlebnisse wider.
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Wien. "Wenn der Strache die Wahl gewinnt, dann müssen wir alle raus", sagt David Djordjevic, wenn man ihn zur Wien-Wahl am 11. Oktober befragt. Der 17-Jährige ist in Österreich geboren und hat genau wie sein Freund Aleks Stanojevic (17) eine serbische Staatsbürgerschaft. Das bedeutet zum einen, dass die beiden Jugendlichen in Österreich nicht wählen dürfen. Zum anderen sehen sie sich laut eigenen Angaben in ihrem Heimatbezirk Ottakring sehr häufig mit Ausländerfeindlichkeit und Rassismus konfrontiert.
In der Performance "Gemma Richard?" verarbeiten sie ihren Alltag. Am kommenden Samstag um 19 Uhr präsentieren sie die Aktion im öffentlichen Raum am Richard-Wagner-Platz - sofern das Wetter passt. Die Aufführung findet im Rahmen der Wien-Woche, einem Kulturfest der Stadt zum Thema Integration, statt. Die Jugendlichen haben den Inhalt und die Umsetzung gemeinsam mit rund 20 Freunden und einem Projektteam, das Natalie Ananda Assman und Julia Falbesoner bilden, ausgearbeitet.
"Es geht um die Störung im öffentlichen Raum. Der Richard Wagner Park ist ein eigener kleiner Kosmos, in dem verschiedene Gruppen wie Anrainer und Jugendliche im Spannungsfeld stehen", sagt Natalie Ananda Assmann. Sie selbst ist Regisseurin und Schauspielerin. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Julia Falbesoner hat sie die Jugendlichen, die sich immer im Richard Wagner Park aufhalten, gefragt, ob sie ein gemeinsames Projekt machen möchten. "Wir hatten keine fixe Idee, wie es ausschauen soll. Das Konzept haben wir spontan und gemeinsam mit den Jugendlichen entwickelt", sagt Assmann. Die beiden Frauen haben sich bewusst Ottakring als Schauplatz ausgesucht, denn es gebe hier so viele verschiedene Dynamiken und interessante Menschen. Die Jugendlichen griffen unterschiedliche Themen für ihre Performance auf. Die Einschränkungen, mit denen sie sich konfrontiert sehen, wie zum Beispiel das Wahlrecht, das ihnen verweigert wird, und die Spannungen, die es in den Parks mit den Anrainern gibt, beschäftigen die Jugendlichen täglich. Sie präsentieren ihre Gedanken dazu in Form von Rap, Videos und Tanz.
Aleks Stanojevic rappt und verfasst seine Texte selbst. "Die Ideen zu meinen Texten kommen aus meinem Leben, es sind Sachen, die mich beschäftigen und die ich unfair finde. In manchen Liedern geht es auch um Drogen und Gewalt", sagt Aleks. Während der Performance wird der 17-Jährige einen Rap über "HC Strache" vortragen. Er habe beobachtet, dass Strache und die FPÖ in den Umfragen aufholen, und das beunruhigt ihn.
"Das ist unfair, wir verbringen unser ganzes Leben hier"
"Ich denke, dass das nur sein kann, weil so viele Menschen in Wien nicht wählen dürfen. Sonst wäre das nicht so", sagt der Jugendliche. Das sieht auch Freund David so. Aus ihrem Freundeskreis dürfe niemand wählen. "Das ist nicht fair, weil wir unser ganzes Leben hier verbringen, aber nicht mitentscheiden dürfen", sind sie sich einig. Wenn sie sich einen Wahlausgang aussuchen könnten, dann hätten sie gerne, dass die SPÖ oder die Grünen gewinnen. "Besser, es bleibt so, wie es jetzt ist, sonst müssen wir alle raus", sagt David. Diese Angst sei ihm sehr bewusst.
Vom Wahlkampf und den Wahlplakaten bekommen die Jungen nicht viel mit. "Außer, dass die Bilder von HC Strache jedes Mal angemalt werden, ich achte nicht darauf", sagt Aleks. Das geht auch David so. "Wenn ich doch einmal Wahlplakate lese, dann lache ich nur und denke mir, dass es Blödsinn ist. Was soll ich auch sonst machen", sagt David. Obwohl sie ein politisches Interesse haben, beschäftigen sie sich nicht viel mit Politik. "Zuhause oder im Freundeskreis sprechen wir nie darüber. Ich lese zwar Zeitung, informiere mich aber nicht oft über das Tagesgeschehen. Warum sollte ich auch. Ich darf ja nicht einmal wählen", sagt Aleks.
Unausgesprochene Vorurteile und Polizeikontrollen
Die Auswirkungen des Wahlkampfes, die Vorurteile und den Rassismus spüren die Jugendlichen vom 16. Bezirk meistens passiv. "Die Leute selbst sind ruhig. Sie sagen nichts, wenn sie vorbeigehen, aber sobald sie zu Hause sind, rufen sie die Polizei", sagt Aleks. In diesem Sommer sei er dreimal kontrolliert worden. Das kann auch David bestätigen. Der Umgang mit der Polizei sei nicht immer gleich. "Es kommt darauf an. Die jungen Polizisten sind eh meistens o.k.", sagt Aleks. Mit denen könne man normal reden. Das Problem seien eher die Älteren. "Die sind oft sehr arrogant. Das sieht man ihnen schon von kilometerweiter Entfernung an", sagt David.
Die privaten und sozialen Erfahrungen, die die Jugendlichen in den Parks machen, stehen in ihrer Performance am Samstag im Mittelpunkt. Auch Drogen und Gewalt spielen eine Rolle. Um das Thema aufzugreifen, haben die Jugendlichen mit ihren Projektleiterinnen einen Film gedreht. "Die Jugendlichen haben die Texte und Dialoge selbst geschrieben und wir haben gesehen, dass David gut schauspielern kann. Darum hat er die Rolle übernommen", sagt Assmann. "In dem Film geht es um einen Jungen und ein Mädchen. Sie streiten miteinander, weil der Junge dem Mädchen Geld gegeben und sie sich damit Drogen gekauft hat", erzählt David. Der Dreh habe ihm viel Spaß gemacht. "Es war cool, einmal etwas ganz Neues auszuprobieren", sagt der 17-Jährige.