Bei "Join in" planen die künftigen Bewohner mit. | Öffentliche Räume und Wiener Hilfswerk sollen Konflikte verhindern. | Wien. Derzeit kampiert noch die Wagenplatz-Gemeinde auf den ehemaligen Mautner-Markhof-Gründen in Wien Simmering und die Botanik wächst ungezügelt. Aber in wenigen Jahren soll sich hier eine neues Viertel mit 650 Wohnungen befinden. Die Stadt Wien hat nun den Bauträgerwettbewerb für die Wohnanlagen abgeschlossen, die - wie auch schon teilweise am Nordbahnhof - dem Thema "Interkulturelles Wohnen" gewidmet sind.
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In der Praxis wohnen Zugewanderte und Alteingesessene in Wien zwar schon seit längerem als Nachbarn, allerdings nicht unbedingt auf freiwilliger Basis und schon gar nicht geplant. Erst seit zehn Jahren ist "Interkulturelles Wohnen" ein beliebtes Schlagwort in der Baubranche, vor allem wenn es um den geförderten Wohnbau geht. Das Zusammenleben von Neu- und Altöstereichern in bestehen Wohnbausiedlungen hatte sich mit der Zeit als Konfliktfeld herausgestellt, und so begannen Bauträger, Architekten und Stadt Wien, sich bei neuen Wohnsiedlungen auf die veränderte Bevölkerung einzustellen. Die neue Strategie: gezieltes Community-Building von Anfang an.
Auf einem der fünf Simmeringer Bauplätze haben das Österreichische Siedlungswerk (ÖSW) in Kooperation mit der Familienwohnbau und das Architekturbüro Tillner & Willinger genau das vor. Ihr Projekt "Join in" mit 90 Wohnungen setzte sich beim Bauträgerwettbewerb durch.
Doch was steckt hinter den schönen Worten und hippen Marketing-Anglizismen? Für ÖSW-Vorstand Michael Pech heißt interkulturelles Bauen keineswegs, dass auf bestimmte Ethnien besonders eingegangen wird: "Wir wollen zunächst die Grundrisse der Wohnungen möglichst flexibel halten. So können wir gemeinsam mit den zukünftigen Bewohner noch Anpassungen vornehmen, so wie sie es brauchen."
Bereits vor der Fertigstellung Ende 2013 werden sich die zukünftigen Nachbarn bei Interessententreffen und dem "Tag der offenen Baustelle" kennenlernen und in den Planungsprozess eingreifen, wenn es nach dem Partizipationskonzept des deutschen Sozialpädagogen Johann Mathis geht. Aspekte wie die Trennung von Bad und WC, die muslimische Familien oft wünschen, seien schon als Mindeststandards im Konzept enthalten.
"Der wesentliche Punkt ist aber das Angebot an öffentlichen Räumen. Im Erdgeschoß wird es ein Nachbarschaftszentrum, einen Veranstaltungsraum, ein Gesundheitszentrum und eine Kindergruppe geben", erklärt Stephan Langmann, zuständiger Projektleiter beim ÖSW. Diese Kommunikationsräume sollen böses Blut unter den Bewohnern von vornherein verhindern: "Es werden geschulte Leute des Wiener Hilfswerks vor Ort sein. Wir wollen es gar nicht so weit kommen lassen, dass Konflikte entstehen."
Umlaufende Balkone laden zur Kommunikation ein
Für das Architektenteam waren die Übergänge von privatem und öffentlichem Raum die besondere Herausforderung des Projekts. "Charakteristisch für den Bau sind die umlaufenden Loggienbänder und Balkone", so Architekt Alfred Willinger. "Diese gehören zum privaten Raum, laden aber dennoch die Nachbarn zur zwanglosen Kommunikation ein."
Für Begegnungen soll auch das Stiegenhaus mit einer Art "Vorplatz" in jedem Stockwerk Gelegenheit bieten sowie die Gärten auf dem Dach - "halb-öffentliche Räume", wie es Architektin Silja Tillner bezeichnet. Wie dieser erweiterte Wohnraum im Detail genutzt wird, wird mit den Bewohnern gemeinsam festgelegt werden. Dass die beiden Gebäude Passivhäuser sind, hat auch den Nebeneffekt, dass sie weniger lärmdurchlässig sind und das Konfliktpotenzial reduziert ist.
Wer nun die Bewohner sein werden, wird in den nächsten zwölf Monaten entschieden. Sie sollen zu rund einem Drittel Migrationshintergrund haben, aber so genau steuern könne man das nicht, räumt Projektleiter Langmann ein. Schließlich werden die 90 Wohnungen je zu einem Drittel vom ÖSW, dem Wohnservice Wien und dem Wiener Hilfswerk (WHW) vergeben. Letzteres wird die Wohnungen an Menschen und Familien in schwierigen Situationen vermitteln, die zum Beispiel nach Trennungen oder Delogierungen wohnungslos geworden sind und weiter betreut werden.
Nach Migranten und Nicht-Migranten will man auch hier nicht differenzieren, meint Sylvia Hofmann vom WHW: "Es geht uns nicht darum, eine Quote zu erreichen, sondern mit der Vielfalt, die ohnehin existiert, umzugehen. Es gelten für alle Interessenten die Richtlinien des Fonds Soziales Wien. Was wir vermeiden wollen ist aber, dass eine Gruppe stark überwiegt."
Eine Sozialarbeiterin steht als Mediatorin zur Verfügung
Das interkulturelle Know-how hat man beim WHW bereits in den zehn bestehenden Nachbarschaftszentren in Wien gesammelt. Wie schon dort, wird auch bei "Join in" eine Sozialarbeiterin vor Ort als Ansprechpartnerin und Mediatorin zur Verfügung stehen. Die Einrichtungen werden dabei auch für die Bewohner der umliegenden Siedlungen offen sein. "Die Bewohner sollen Vielfalt als etwas Positives erleben und voneinander lernen", hat sich Sylvia Hofmann als Ziel gesteckt, "Die einen können zum Beispiel bei den Schulaufgaben helfen, die anderen eine Sprache beibringen. Es ist ein Geben und Nehmen."