Tel Aviv - So ein Szenario haben die Befürworter der Stationierung einer internationalen Beobachtertruppe in der Krisenregion Nahost schon immer befürchtet und die Gegner in ihrem Widerstand gefestigt: Die rund 80 in Hebron stationierten ausländischen Ordnungshüter (TIPH) wollen ihre schwierige Aufgabe einstellen.
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Grund sind wiederholte tätliche Angriffe jüdischer Siedler auf Mitglieder der "Temporary International Presence in Hebron" (TIPH) in den letzten Tagen und Wochen. Die Siedler warfen Steine gegen die Windschutzscheiben ihrer Partouillenfahrzeuge und demolierten die hinteren Scheiben und die Türen. In zehn Tagen wurden neun der 15 TIPH-Fahrzeuge zerstört. Mehrere Beobachter wurden physisch bedroht.
Aus Sicherheitsgründen wurden daraufhin ihre Patrouillen im israelischen Sektor der Stadt suspendiert, in der 400 jüdische Siedler in einer Enklave unter 120.000 Palästinensern leben. Die israelische Armee schränkte, so Saida berichtet TIPH-Sprecherin Keller, auch die Patrouillen in Zonen ein, in denen illegale Unterkünfte errichtet wurden, die für Siedler bestimmt sind.
Die Organisation, die eigentlich eine Vermittler- und Schlichterrolle zwischen Israelis und Palästinensern spielen soll, sieht sich daher nicht länger in der Lage, ihren Pflichten nachzukommen. Als Vorbedingung für die Fortsetzung der schwierigen Mission fordern die Beobachter den Schutz der israelischen Sicherheitsorgane, doch Israel winkte schon ab. Ihre Sicherheit sei nicht zu gewährleisten.
Bereits seit geraumer Zeit belasten gegenseitige Schuldzuweisungen die problematischen Beziehungen zwischen TIPH und den Bewohnern der jüdischen Enklave. Die Siedler beschuldigen die Beobachter der Parteinahme und Spionage zu Gunsten der Palästinenser. Erst vor einen Tagen waren nach Angaben aus Militärkreisen sogar Untersuchungen eingeleitet worden, weil die Mitglieder von TIPH Einzelheiten aus den von ihnen beobachteten Truppenbewegungen an die Fatah-Fraktion von Palästinenser-Präsident Yasser Arafat weiter gegeben haben sollen. Der Chef der TIPH wies die Vorwürfe aufs Schärfste zurück.
In Hebron mit seiner von Moslems wie Juden gleichermaßen verehrten Geburtsstätte des biblischen Stammvaters Abraham sind die Siedler besonders radikal. Das Massaker eines ultrarechten israelischen Siedlers an 30 Arabern vor der Moschee von Hebron am 25. Februar 1994 hatte zur Entsendung von damals 160 TIPH-Beobachter nach Hebron geführt. Die Mission geht auf norwegische Initiative zurück. Am 31. März 1994 wurden in Kairo unter dem Eindruck des Massakers zwischen Vertretern der PLO, Israels und der Entsendeländer Norwegen, Dänemark und Italien die Vereinbarungen getroffen.
Danach sollten die TIPH-Mitglieder als zivile, objektive Beobachter die Bemühungen beider Seiten um eine Normalisierung des Zusammenlebens in Hebron überwachen und zugleich den Palästinensern "ein Gefühl der Sicherheit" vermitteln. 1997 wurde das Mandat für die Beobachter erneuert, nachdem im Interimsabkommen von 1995 ein Sonderstatus für Hebron zwischen Israel und den Palästinensern vereinbart worden war, der Abzug der israelischen Armee sich jedoch verzögerte. Dem Statut nach könnte die TIPH aus 180 Beobachtern bestehen, doch waren bisher nur 85 Beobachter aus sechs Ländern in Hebron unterwegs - die Beobachter stammen aus Norwegen, Schweden, der Schweiz, Italien und der Türkei.
Nur leichte Bewaffnung zum persönlichen Schutz ist der Gruppe erlaubt, die ihre eigenen Fahrzeuge hat. Eingreifen in offene Konflikte dürfen die Beobachter nicht, nur dokumentieren, was sie sehen - Videokameras und Laptops sind ihre Waffen. Viele Beobachter kommen aus der Polizei oder sind ehemalige Militärs. Ihr Einsatz konzentrierte sich bisher auf die Altstadt, wo 400 Siedler in einer Enklave umgeben von Palästinensern leben.
Nach israelischen Polizeiangaben wurden TIPH-Beobachter von radikalen Israelis offenbar mit Steinen beworfen, ihre Autos seien demoliert worden. Die Sprecherin sagte nichts über Verletzte und nannte auch keine Einzelheiten. Bedauerlich sei, dass die Gruppe wegen der Feindseligkeiten nun nur noch im Palästinenser-Wohngebiet (H1) sichern könne, sagte sie. In die Altstadt gingen die TIPH-Beobachter jetzt nicht mehr hinein. Ein Sprecher der Siedler in Hebron, David Wilder, bestritt die Berichte über tätliche Angriffe auf die Beobachter. Die Siedler würden sich allerdings sehr darüber freuen, wenn die Beobachter verschwänden. "Ich bin sehr froh, dass die ihre Patrouillen eingestellt haben".