Die FPÖ spielt eine wichtige Rolle bei der Vernetzung rechter Parteien in Europa - auf offizieller wie auf inoffizieller Ebene.
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Wien/Moskau. Johann Gudenus ist gerne in Russland. Als die Krim 2014 ein hochumstrittenes "Referendum" über den Anschluss an Russland abhielt, war der FPÖ-Politiker und Wiener Vizebürgermeister zur Stelle, um sich als "unabhängiger Beobachter" ein Bild über die Rechtmäßigkeit der Abstimmung zu machen. Gern gesehener Gast ist Gudenus auch auf ultrakonservativen "Kongressen", wo er sich mit russischen Nationalisten gegen die "Homosexuellenlobby" in Europa echauffiert. Gudenus soll auch gute Kontakte ins rechtsextreme Milieu in St. Petersburg unterhalten.
Am Mittwoch traf Gudenus im weißrussischen Minsk ein, im Schlepptau eine "Delegation aus unterschiedlichen Wirtschaftssparten". Das Ziel der Reise: die politischen und wirtschaftlichen Bande mit Europas letzter Diktatur zu vertiefen. Vor allem Russland pflegt zu Europas rechten Parteien beste Beziehungen. Deren europafeindlicher Kurs kommt dem russischen Präsidenten Putin, der spätestens seit den EU-Sanktionen gegen Russland aufgrund dessen Vorgehen im Ukraine-Konflikt an einer Destabilisierung der Europäischen Union interessiert ist, sehr entgegen. Doch nicht nur was die Kooperation mit Russland betrifft, ist die FPÖ hochaktiv. Für die EU-feindlichen Freiheitlichen ist vor allem die europäische Vernetzung mit Gleichgesinnten zentral. Diese gedeiht besser denn je - wenn auch unter gewissen Schwierigkeiten.
Offizieller Bruch mit Jobbik
Fast genau vor einem Jahr gelang es rechten und rechtsextremen Parteien im EU-Parlament, die Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF) zu gründen. Die Einigung ließ lange auf sich warten, zu unterschiedlich war die jeweilige Programmatik der Parteien, auch die vorgeschriebene Stärke von sieben Parteien aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten konnte erst im Juni letzten Jahres erreicht werden.
Während die Kooperation der FPÖ mit der niederländischen PVV von Geert Wilders, dem belgischen Vlaams Belang, den italienischen Separatisten von der Lega Nord und vor allem mit Frankreichs Front National so gut funktioniert, dass deren Parteichefin und Fraktionsvorsitzende im EU-Parlament, Marine Le Pen, heute Freitag von FPÖ-Parteichef Heinz- Christian Strache in Wien empfangen wird, läuft es mit den ungarischen Nachbarn ganz anders.
Mit der rechtsextremen Partei Jobbik ("Die Besseren") verband die FPÖ jahrelang eine enge Zusammenarbeit. Im Jänner 2010 konferierte Parteichef Strache mit einer Jobbik-Delegation über die Vertiefung der Zusammenarbeit, noch im April reisten FPÖ-Politiker nach Ungarn, um die Rechtsextremisten beim Wahlkampf zu unterstützen. Zum Wahlergebnis (Jobbik erreichte 2010 mit mehr als 16 Prozent den dritten Platz) gratulierten die Freiheitlichen, der Ex-FPÖ-Europaabgeordnete Andreas Mölzer feierte Jobbik als "starkes rechtes Korrektiv".
Noch im selben Jahr erfolgte plötzlich ein Bruch, den Jobbik-Parteichef Gábor Vona Heinz- Christian Strache bis heute übel nimmt. Kurz vor seinem Israel-Besuch im Dezember 2010 distanzierte sich Strache von Jobbik. Der Grund für Straches Umschwenken ist wohl in der Kooperation mit Le Pen zu finden. "Strache musste sich damals entscheiden: entweder der Front National, oder Jobbik", sagt Andreas Peham, Rechtsextremismusforscher am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes.
Arbeitsteilige Kontaktpflege
Le Pen setzte gegen die früheren, massiven antisemitischen Traditionen ihres Vaters einen neuen, islamfeindlichen Kurs durch. Auch Straches FPÖ versuchte, den Antisemitismus aus der FPÖ zu verbannen, um - im Gleichklang mit der neuen rechten Europafraktion - den Islam als neues, einigendes Feindbild zu etablieren. Die massiv antisemitische und romafeindliche Jobbik war Strache dabei ebenso im Wege wie sein früherer Europaabgeordneter Mölzer. Dessen antisemitische Äußerungen waren Le Pen so ein Dorn im Auge, dass Strache Mölzer abziehen musste.
Seit 2010 ist die FPÖ also kein Verbündeter der ungarischen Rechtsextremisten mehr - zumindest offiziell. Die Kontaktpflege nach Ungarn übernehmen nun die unteren Parteiebenen und Organisationen wie der Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ). Dessen niederösterreichischer Geschäftsführer Markus Ripfl postete nicht nur Fotos im Internet, auf denen er vor einer (in Deutschland verbotenen) Keltenkreuz-Fahne posiert und den rechtsextremen "Kühengruß" zeigt. Laut dem Schweizer "Tagesanzeiger" vermuten der Linzer Datenforensiker Uwe Sailer sowie Kenner der rechtsextremen Szene Ripfl hinter dem Internetportal "Unser Mitteleuropa", das ungarischen, deutschen und österreichischen Rechten zur Koordination und Vernetzung dient.
Als der Jobbik-Politiker Elöd Novak im Jänner in Wien Pfeffersprays an Frauen verteilte, damit sich diese gegen Übergriffe von Migranten wehren können, wurde er von Ripfl herzlich empfangen. Die Hoffnung von Jobbik-Chef Vona, in Zukunft wieder gemeinsam die "lebenswichtige Schlacht" gegen den "alles zersetzenden Liberalismus" führen zu können, ist demnach wohl nicht ganz unbegründet.