Zahlreiche Manager haben keinen rot-weiß-roten Pass. | Die meisten werken im Bereich Finanzen. | Wien. Boris Nemsic ist das beste Beispiel: 1957 in Sarajewo geboren, promovierte er 1990 an der TU Wien und werkt seit 1997 für die Mobilkom. Im Mai 2000 wurde der bosnische Kroate, dessen Großmutter aus Wien stammte, Generaldirektor, im Mai 2006 Vorstandsvorsitzender der Telekom Austria: "Ich habe den besten Job, den es in Österreich gibt", sagt er, nicht ohne Stolz. Nemsic, der österreichischer Staatsbürger ist, spricht fließend deutsch, kultiviert seinen winzigen Akzent, und abgesehen von seinem Namen deutet nichts mehr auf seine Herkunft hin.
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In Österreichs Chefetagen sitzen zahllose Führungskräfte, die keinen rot-weiß-roten Pass besitzen, nicht in allen Fällen des Deutschen mächtig sind, aber so gut wie nichts mit einem Thema zu tun haben, das im Wahlkampf ganz oben steht: die sogenannte Ausländerproblematik.
Viele Nicht-Österreicher in Spitzenpositionen
Ein paar Beispiele aus dem Bankenbereich: Der neue Boss der Bawag, David Roberts, 46, früher Vorstand bei der Barclays Bank, ist Brite. Er gilt als unkompliziert und uneitel und hat längst einen Deutsch-Crashkurs absolviert, um vor Mitarbeitern eine Rede halten zu können. Bei der Bank Austria ist der Italiener Carlo Vivaldi, 43, seit Oktober 2007 für Finanzen zuständig. Der starke Mann der Kärntner Hypo Alpe Adria ist der 49-jährige Deutsche Tilo Berlin, der dank einer langjährigen Affinität zu Kärnten selbst den dortigen Dialekt in Ansätzen beherrscht.
Ähnlich wie bei Geldinstituten sind hunderte Nicht-Österreicher im Topmanagement von Versicherungen, Industriekonzernen und Handelsunternehmen vertreten. Häufig kommen sie, wie etwa der aus Tschechien stammende T-Mobile-Austria-Chef Robert Chvatal, in den Medien vor, und sie pflegen sich in ihren Unternehmen durchzusetzen.
Der Italiener Luciano Cirinà ist Generaldirektor der in Wien ansässigen Generali Group. Er kennt Wien weitaus länger, weil er bereits von 1996 bis 2005 hier beruflich tätig war. Der in Genf geborene Burkhard Gantenbein, der die Schweizer und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, hat es zum CEO der Helvetia Versicherungen AG gebracht. Zuvor saß er im Vorstand der Generali.
Bei der OMV ist der aus Großbritannien importierte Vorstandsdirektor David C. Davies im Vorstand seit 2002 für Finanzen verantwortlich, wo er keineswegs als Fremdkörper wirkt. Die Borealis AG wiederum wird vom gebürtigen Australier Mark Garrett geleitet, dem Schuhplatteln mittlerweile vertrauter sein dürfte als Kängurus.
Der Deutsche Frank Hensel führt bei dem Handelsriesen Rewe Austria Regie und ist für Billa, Merkur, Penny und Bipa, für den Zentraleinkauf, die Eigenmarken sowie die Unternehmenskommunikation verantwortlich. Der 50-Jährige zählt zur stärksten Fraktion der in Österreich tätigen Top-Gastarbeiter aus anderen Ländern (siehe Tabelle unten).
Internationale Konzernesetzen auf Landsleute
Die meisten Konzerne aus Deutschland, von BMW Österreich bis zum Lebensmitteldiskonter Hofer, besetzen Spitzenpositionen mit Landsleuten, die das uneingeschränkte Vertrauen genießen. Am häufigsten sind sie für Finanzen zuständig: Neben Siemens Österreich-Generaldirektorin Brigitte Ederer etwa dreht Reinhard Pinzer als Finanzvorstand am Geldhahn.
Deutsche Topleute leiten aber auch österreichische Betriebe. Der Faserkonzern Lenzing etwa wird seit Jahren vom Deutschen Thomas Fahnemann geführt.
Bei der Österreichischen Post AG ist die deutsche Managergilde mit Carl-Gerold Mende, dem für die Division Paket & Logistik zuständigen neuesten Vorstandsmitglied, präsent. Mende hat bereits für DHL, Federal Express, General Parcel und zuletzt für Royal Mail in London gewerkt. Ein solcher Topmann war in Österreich offenbar nicht zu finden.
Im Normalfall haben die Deutschen am wenigsten ten Probleme, was Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitsberechtigungen betrifft. Sie übersiedeln daher in der Regel samt Familie ins Alpenland, um einen Topjob mit ansehnlicher Gage zu übernehmen, leben in Dienstvillen und haben häufig Chauffeur und Hauspersonal zur Verfügung.
Land und Leute kennen sie zwar bisweilen nicht, doch gesellschaftliche Kontakte zu knüpfen und Akzeptanz zu finden ist in der Regel kein Problem. Ihre Integration in Österreich läuft somit unkomplizierter als etwa die eines bosnischen Gastarbeiters.
Im Top-Management liefern Spitzenleute aus aller Herren Länder den Nachweis, dass der Begriff Ausländer in Österreich doch noch nicht zum Schimpfwort geworden ist: Neben Schweizern - etwa Markus Oggenfuss, Geschäftsführer von Nestlè Österreich - sind in den obersten Etagen auch Niederländer zu finden: Herman Nicolaas Nusmeier, genannt Nico, beispielsweise, der bei der Brau Union und der Heineken CEE Management die Nummer eins ist.
Auch der finnische Handykonzern Nokia oder das schwedische Möbelhaus Ikea setzen auf eigene Leute. Die Schwedin Helen Duphorn, die sich als Country Managerin um die Österreich-Niederlassung des Möbelhauses kümmert, war zuvor in Finnland, Indien und Frankreich eingesetzt und fühlt sich wohl, "weil es hier gemütlich und schön ist".
Etwas schwieriger mag es für japanische oder nordamerikanische Topmanager sein, weil es bisweilen kompliziert ist, in völlig neuer Umgebung rasch Fuß zu fassen, und manchmal die Familie gespalten wird: Die Kanadierin Theresa Firestone etwa, seit eineinhalb Jahren Geschäftsführerin von Pfizer Österreich, hat ihre Kinder nicht mitbringen können, weil diese eine kanadische Uni besuchen.
Der gebürtige Amerikaner David J. Kelly indes, den es nicht nach Wien, sondern ins niederösterreichische Kienberg-Gaming verschlug, fühlt sich gerade im Ötscherland wohl: Er hat den Stahlflaschen-Produzenten Worthington Cylinders in den letzten vier Jahren zu einem der erfolgreichsten Betriebe Österreichs gemacht und kann laufend gute Zahlen in die Konzernzentrale nach Ohio melden. Kelly, der Deutsch ausgezeichnet beherrscht, hat sich längst bestens eingelebt und mag die neue berufliche Heimat - was aber damit zu tun haben könnte, dass seine Mutter aus Österreich stammt.