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Internationales Gericht für Wien

Von Alexander U. Mathé

Politik

Greenpeace fordert die Errichtung eines Internationalen Investitionsgerichtshofs. Die österreichische Regierung ist dafür offen.


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Wien. Wird Wien schon bald der Sitz eines neuen internationalen Gerichtshofs? Bei einem Gipfel zwischen der österreichischen Regierung und NGOs zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) wurde diese Option ins Auge gefasst. Konkret geht es um einen der umstrittensten Teile des Abkommens: Den Investitionsschutz. Sehen sich ausländische Firmen durch einen Staat beziehungsweise dessen Politik benachteiligt oder ihren Profit geschmälert, so können sie - wenn eine Investitionsschutzklausel mit ihrem Heimatland vereinbart wurde - vor internationalen Schiedsgerichten klagen. Philipp Morris hat das etwa getan, als die australische und die uruguayische Regierung beschlossen, strikter gegen Tabakkonsum vorzugehen. Die nationale Gerichtsbarkeit wird dabei ausgehebelt, denn die Schiedsgerichte können direkt angerufen werden; gegen die Urteile ist keine Berufung möglich. Österreich unterhält derzeit mit 62 Ländern solche Abkommen. Für besondere Kritik sorgt neben der oft schwammigen Formulierung der Klauseln auch der Mangel an Transparenz. Denn manche Fälle werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt.

Vorbild Seegerichtshof

Die Umweltorganisation Greenpeace fordert daher die Errichtung eines Internationalen Investitionsgerichtshofs. "Ein faires Handelsabkommen kann es nur ohne private Konzerngerichte geben", erklärte Geschäftsführer Alexander Egit nach dem Gipfel zu TTIP am Montag. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" nannte er den Internationalen Seegerichtshof als Vorbild. Details sind noch nicht ausgearbeitet, doch soll klar festgelegt werden, wann beispielsweise eine Klage überhaupt zulässig sei. Gleichzeitig solle, so Greenpeace-Sprecher Florian Schweitzer, diskutiert werden, "ob nicht auch Verfahren gegen Konzerne eingeleitet werden können, etwa wenn Umweltstandards massiv untergraben werden".

Bei Bundeskanzler Werner Faymann fand Greenpeace mit seiner Forderung Gehör. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner bekräftigte erneut, dass man einen Mechanismus der Streitbeilegung brauche. In welcher Form, sei aber noch offen. Die Europäische Kommission hat das Thema vorläufig auf Eis gelegt. Erst nach den Europawahlen soll wieder über Investitionsschutz im TTIP-Abkommen diskutiert werden.

Sowohl Faymann als auch Mitterlehner erklärten dafür sorgen zu wollen, dass es durch TTIP zu keinerlei Verschlechterung bestehender Regulierungsstandards kommen werde. Dies betrifft unter anderen soziale Rechte, Umwelt- und Datenschutzstandards. Dementsprechend einig war man sich auch darüber, den Bestrebungen der EU-Kommission entgegenwirken zu wollen, den Mitgliedstaaten die Mitentscheidungskompetenz abzusprechen.

Nach derzeitiger Rechtsauslegung ist für TTIP sowohl die Einstimmigkeit des EU-Rats nötig, als auch die Ratifizierung durch alle nationalen Parlamente. Laut Faymann besteht die Möglichkeit, dass Österreich ein Veto einlegt. Der Bundeskanzler räumte jedoch ein, dass sich diese Rechtsauslegung auch ändern könne.

Grundsätzlich ist TTIP für Mitterlehner ein Abkommen, das für Österreich erstrebenswert ist. Immerhin sei es ein exportorientiertes Land, das ein Handelsvolumen in Höhe von elf Milliarden Euro mit den USA unterhalte, von denen der Export sieben Milliarden ausmachte. Caritas-Präsident Michael Landau, der neben Faymann, Mitterlehner und Egit auch an dem österreichischen TTIP-Gipfel teilnahm, mahnte, dass es nicht so sein dürfe, "dass Gewinne privatisiert werden, aber Verluste sozialisiert und auf die Allgemeinheit abgewälzt werden."

Erster Gipfel von vielen

Der abgehaltene Gipfel soll jedenfalls nur der Auftakt für weitere Treffen nach Vorbild der Sozialpartnerschaft sein. "Ich bin froh, dass es heute die Gelegenheit zu einem ersten Gespräch der Regierung mit wichtigen Interessensvertretungen über das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA gab. Das ist für uns der Beginn einer kontinuierlichen Zusammenarbeit", erklärte Faymann.