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Der türkische Premierminister polterte wieder einmal gegen das Internet, namentlich Facebook und Youtube. Deren Inhalte sollten in der Türkei gesperrt werden. Auch China, Russland, Weißrussland, Kasachstan, der Iran, Syrien und Afghanistan versuchen unterschiedlich erfolgreich, ihren Bürgern den freien Zugang zum Netz zu vermiesen. Nordkorea sowieso.
Wer aber nun glaubt, solche Eingriffe in die Meinungsfreiheit wären eine Domäne von diktatorischen oder autokratischen Systemen, irrt. Auch die USA haben kein Problem damit, Internet-Zugänge zu sperren. Sie müssen das allerdings nicht so drastisch tun wie weniger entwickelte Länder, da sie das Netz ohnehin vollständig überwachen...
Nun gibt es hervorragende Gründe, das Internet zu kontrollieren. Kinderpornografie, illegales Glückspiel, Selbstmord-Aufrufe - es lässt einen schon frösteln, in welcher Menge derartige Ekelhaftigkeiten global und digital verbreitet werden. Es gibt allerdings einen qualitativen Unterschied zwischen Kontrolle und Zensur. Wenn eine Regierung Blogger und Besucher von Internet-Cafés schikaniert und ins Gefängnis wirft, geht es meistens nicht um den Schutz von Minderjährigen.
Es geht darum, dass das Internet - anders als "analoge" Medien - keine Redaktion kennt, in der Einzelinteressen transparent gemacht werden. Das Netz wird heute natürlich auch zur psychologischen Kriegsführung verwendet. Die sozialen Plattformen eignen sich hervorragend für das, was Nachrichtendienste früher unter "Desinformation" verstanden. Im konkreten Fall Ukraine heißt das, dass die Anhänger der Maidan-Bewegung ihren rechtsextremen Teil kleinreden, während Russland die dortige Swoboda-Gruppe benutzt, um sich zum antifaschistischen Schutzwall zu erklären. Das eine ist so falsch wie das andere, doch wer will das erkennen?
Für restriktive Regime sind die Internet-Plattformen aber auch Teufelswerkzeug, weil sich darüber trefflich Proteste und Demonstrationen organisieren lassen. China ist aus diesem Grund bei der Sperre von Internetseiten besonders "effektiv".
Das Internet selbst, amoralisch wie Geld, bietet keine Lösungen an. Die Spreu vom Weizen trennen können nur gut informierte Nutzer selbst. Dazu freilich ist es notwendig, auch auf "alte" Kommunikation zu setzen: reden, lesen.