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Interview mit Andrea Berzlanovich

Von Ronald Schönhuber

Wissen

Mit ihrer Habilitation ist Andrea Berzlanovich in eine Männerdomäne eingedrungen. Als erste Frau in Österreich hat die 44-jährige Wienerin vergangene Woche die Lehrbefugnis für das Fach Gerichtsmedizin erhalten. Im Rahmen ihrer Habilitationsschrift zum Thema "Forensische Gerontologie" hat Berzlanovich, die im Laufe ihre Karriere fast 10.000 Leichen obduziert hat, sogar einen neuen Zweig ihres Fachs begründet.


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"Wiener Zeitung": Was bewegt jemanden eigentlich dazu Gerichtsmedizinerin zu werden?

Andrea Berzlanovich: Für mich war es vor allem der kriminalistische Aspekt, der mich von Kindesbeinen an fasziniert hat. Ich habe eigentlich gleich gewusst, dass ich das machen will, und bin dann meinen Weg ziemlich "straight" gegangen.

"Wiener Zeitung": Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Andrea Berzlanovich: Der Hauptteil meiner Tätigkeit besteht klarerweise aus Obduktionen. Ebenfalls viel Zeit nimmt das Diktieren der Ergebnisse in Anspruch. Und natürlich gibt es auch administrative Tätigkeiten.

"Wiener Zeitung": Das heißt, dass man aber die meiste Zeit mit den Toten zu tun hat...

Andrea Berzlanovich: So skurril das klingen mag, ich habe trotz meiner Tätigkeit relativ viel mit den Lebenden zu tun. Vor allem bei den Obduktionen steht man häufig in Kontakt mit den Angehörigen. Und auch im administrativen Bereich arbeitet man mit den Lebenden zusammen.

"Wiener Zeitung": Sehen sie sich eher als Wissenschaftlerin oder als Ärztin?

Andrea Berzlanovich: Ich bin Gerichtsmedizinerin.

"Wiener Zeitung": Warum ist es für Frauen in Österreich anscheinend so schwer sich zu habilitieren?

Andrea Berzlanovich: Es liegt an den Männer, denke ich. Frauen werden einfach nicht rangelassen. Vielfach werden sie arbeitsmäßig so stark eingedeckt, dass sie keine Zeit mehr finden um wissenschaftlich arbeiten zu können. Männer sagen vielleicht leichter "Nein", wenn sie gefragt werden, ob sie administrative Zusatzarbeit auch noch erledigen könnten.

"Wiener Zeitung": Was waren für Sie persönlich die größten Schwierigkeiten?

Andrea Berzlanovich: Das größte Problem war stets, Zeit zu finden, um schreiben zu können. Neben den Routinetätigkeiten ist dafür oft kein Platz mehr. In der Zeit, in der ich meine Habilitationsschrift verfasst habe, bin ich regelmäßig nicht vor halb elf Uhr abends aus dem Büro gekommen. Den Hauptteil meiner Arbeit habe ich aber in meiner Freizeit und im Urlaub geschrieben.

"Wiener Zeitung": Sie gehen jetzt für ein Jahr nach München. Haben Sie die Streitereien am Wiener Institut rund um Kostenersätze und fragwürdige Gutachtertätigkeiten satt?

Andrea Berzlanovich: Das war eine private Entscheidung. Da ich keine Gutachten mache, betrifft mich die Diskussion über die Kostenersätze nicht.

Das Gespräch führte Ronald Schönhuber