Gleiche Leistungen für gleiche Einzahlungen sollten bei der Pensionsharmonisierung das Ziel sein, erklärte Bundespräsident Heinz Fischer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Wobei darauf zu achten sein wird, dass "nicht alles über einen Kamm geschoren" wird. Was die künftige EU-Verfassung betrifft, hält der Bundespräsident wenig von einzelstaatlichen Volksabstimmungen. Die österreichische Neutralität steht für ihn nicht im Widerspruch zu einem Engagement an friedenssichernden Maßnahmen: "Wir sind keine Trittbrettfahrer."
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"Wiener Zeitung": Seit Ihrer Angelobung am 8. Juli 2004 sind knapp zwei Monate vergangen. Bereits im Wahlkampf haben Sie angekündigt, ungefähr 70 Prozent Ihrer Zeit für österreichische Agenden aufzuwenden. Stimmt das Verhältnis bis jetzt?
Heinz Fischer: Ich glaube schon. Internationale Kontakte sind ernst zu nehmen und wichtig. Den Großteil der Zeit möchte ich dennoch im Inland verbringen, um mich mit österreichischen Themen und Problemen auseinanderzusetzen.
"Wiener Zeitung": Ihre Auslandsaufenthalte haben sich bisher auf Nachbarstaaten beziehungsweise EU-Mitgliedsländer beschränkt. Sehen Sie die EU als Ihr erstes Wirkungsfeld an?
Heinz Fischer: Wir gehen sehr systematisch vor und die Besuche in den Nachbarstaaten waren auch mit dem Außenministerium abgesprochen. Im Herbst geht es nach Portugal und Kroatien. Am Beginn des nächsten Jahres ist eine Reise nach Indien geplant, gemeinsam mit einer Wirtschafts-Delegation.
"Wiener Zeitung": Und wen nehmen Sie in Österreich in Empfang?
Heinz Fischer: Zu Gast waren bereits meine Amtskollegen aus Deutschland und der Schweiz. Für den Oktober wird der israelische Staatspräsident erwartet, in der nächsten Woche wird der Präsident von Kasachstan kommen.
"Wiener Zeitung": Bleiben wir bei der EU: Bereits neun Mitgliedstaaten wollen eine Volksabstimmung über die geplante europäische Verfassung durchführen, darunter auch Deutschland. Die Ratifizierung einer solchen Verfassung durch Österreich hat gravierende Auswirkungen auf die Bundesverfassung, wäre da eine Volksabstimmung nicht auch in Österreich sinnvoll?
Heinz Fischer: Die Verfassung sieht eine Volksabstimmung vor, wenn dies mehr als ein Drittel der Abgeordneten im Nationalrat verlangt. Eine gemeinsame Volksabstimmung in allen betroffenen Ländern wäre empfehlenswert, um festzustellen, was die Mehrheit der europäischen Bevölkerung wünscht. Allerdings sollte es eben zu einer Gesamtvolksabstimmung kommen, denn ich halte einen ,Abstimmungsfleckerlteppich' nicht für zweckmäßig. Weil dann unter Umständen eine Minderheit über die Mehrheit dominiert, wenn negative Ergebnisse in zwei oder drei Staaten das gesamte Projekt zum Einsturz bringen. Außerdem würden in den einzelnen Ländern vor allem nationale Themen im Vordergrund stehen.
"Wiener Zeitung": Dennoch scheint die EU-Verfassung zumindest in Großbritannien keine Mehrheit zu bekommen. Was passiert dann mit diesem großen Projekt?
Heinz Fischer: Das weiß im Grunde niemand. Jedenfalls würde eine sehr schwierige Situation entstehen, denn die EU-Verfassung kann nur in Kraft treten, wenn sie von allen Staaten ratifiziert wird.
"Wiener Zeitung": Ein anderes großes Vorhaben der EU ist eine gesamteuropäische Sicherheitspolitik. Verteidigungsminister Platter hat erst vor einigen Tagen in Alpbach einen neuen Vorstoß dazu gemacht und in diesem Zusammenhang erneut eine Diskussion über die österreichische Neutralität eingefordert.
Heinz Fischer: Gegen Diskussionen habe ich nichts. Aber wer die Neutralität abschaffen will, braucht eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und muss eine Volksabstimmung gewinnen. Das scheint mir allerdings kein aktueller Punkt der Tagespolitik zu sein. Eine europäische Sicherheitspolitik hat auf die spezifischen Gegebenheiten und zwar auf die spezifischen verfassungsrechtlichen Gegebenheiten in Österreich, Schweden, Finnland und Irland Bedacht zu nehmen.
"Wiener Zeitung": Ein Leitgedanke der Bundesheer-Reformkommission war die Europäisierung des Bundesheers. Platter will dieses Ergebnis äußerst konsequent umsetzen, was halten Sie davon?
Heinz Fischer: Der Grundgedanke gefällt mir. Ich halte es für richtig, dass Österreich als Land, das nur von EU-Staaten und einem neutralen Staat umgeben ist, keine Verteidigung gegen feindliche Nachbarn im Sinne vergangener Bedrohungsszenarien benötigt, sondern dass wir uns unter Bedachtnahme auf die Beschlusslage des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der österreichischen Verfassung in unserem Teil der Welt an friedenspolitischen Aufgaben beteiligen. Österreichs Engagement in der Friedenssicherung, in Kontingenten der Blauhelme ist der Beweis dafür, dass wir keine Trittbrettfahrer sind.
"Wiener Zeitung": Was halten Sie von einer Verkürzung der Wehrpflicht und in Folge des Zivildienstes?
Heinz Fischer: Ich bin nicht der Verteidigungsminister.
"Wiener Zeitung": Aber oberster Befehlshaber des Bundesheeres.
Heinz Fischer: Wenn ein Diskussionsprozess zu dem Ergebnis führt, dass die Aufgaben des Bundesheeres auch mit einer verkürzten Wehrdienstzeit gelöst werden könen, gibt es für den Bundespräsidenten keinen Grund, sich quer zu legen.
"Wiener Zeitung": Ein weiteres Thema, das derzeit die innenpolitische Diskussion beherrscht, ist die Pensionsharmonisierung. Sie haben zuletzt Fairness und Gerechtigkeit eingemahnt. Was verstehen Sie konkret darunter?
Heinz Fischer: Ich wollte signalisieren, dass ich die Harmonisierung an und für sich für richtig halte, dass man für gleiche Beiträge gleiche Leistungen erwarten darf. Dabei ist es wichtig, die soziale Komponente im Auge zu behalten.
"Wiener Zeitung": Immer mehr Sozialrechtler weisen darauf hin, dass Harmonisierung nicht unbedingt ein Einheitssystem bedeuten muss, weil sonst historisch gewachsenen und sachlich begründbaren Unterschieden nicht Rechnung getragen wird.
Heinz Fischer: Schon Aristoteles hat verlangt, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden soll. Harmonisierung heißt nicht, alles über einen Kamm zu scheren, sondern die Pensionssysteme so zusammenzuführen, dass gleiche Einzahlungen zu gleichen Leistungen führen.
"Wiener Zeitung": Eine Ihrer ersten Amtshandlungen war ein Gespräch mit Vertretern österreichischer caritativer Organisationen auch zum Thema Aslypolitik. Mittlerweile verabschieden sich immer mehr Bundesländer von dem erst im Mai in Kraft getretenen 15-a-Vertrag. Werden Sie auf die Landeshauptleute einwirken, damit sie ihre Verpflichtung erfüllen?
Heinz Fischer: Das ist vor allem Aufgabe des Innenministers. Aber ich werde in der nächsten Woche wieder ein Treffen mit den Sozial-Organisationen haben, weil ich diesen den Rücken stärken will. Ich versuche, in manchen Punkten eine Orientierung zu geben, ohne mich in die Tagespolitik einzumischen.
"Wiener Zeitung": Sie wohnen nach wie vor in Ihrer Wohnung in der Josefstädter Straße. Was bedeutet das für die anderen BewohnerInnen?
Heinz Fischer: Dass sie sich in dem Haus jetzt sehr sicher fühlen. Die Sicherheitskräfte sind präsent, aber so dezent wie möglich. Wir haben auch in der Josefstadt keinen Überwachungsstaat.
"Wiener Zeitung": Was passiert mit der Präsidentenvilla?
Heinz Fischer: Ich bin damit nicht befasst. Das ist Aufgabe der Bundesimmobilienverwaltung.
"Wiener Zeitung": Und die Sommerresidenz in Mürzsteg?
Heinz Fischer: Diese ist seit 1951 Sommerresidenz des Bundespräsidsenten. Ich werde sie - wie mit dem Bürgermeister und der Landeshauptfrau vereinbart - sinnvoll nützen.
"Wiener Zeitung": Für den Fall dass Sie Bundespräsident werden, haben Sie im Wahlkampf versprochen, auf Ihrem Grundstück auf der Hohen Wand einen Baum zu pflanzen. Ist das bereits geschehen?
Heinz Fischer: Der Baum wird am 4. September gesetzt. Es wird eine Föhre sein.
Das Gespräch führten Alexandra Grass und Brigitte Pechar