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Interview mit DÖW-Leiter Wolfgang Neugebauer und Brigitte Bailer-Galanda

Von Walter Hämmerle

Politik

Am 1. Dezember übergibt Wolfgang Neugebauer (60) nach 21 Jahren die Leitung des "Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes" (DÖW) an seine bisherige Stellvertreterin Brigitte Bailer-Galanda (52). Die "Wiener Zeitung" bat beide Wissenschafter zum Interview und sprach mit ihnen über bleibende Schwerpunkte und neue Herausforderungen.


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"Wiener Zeitung": Herr Neugebauer, kommenden Mittwoch übergeben Sie die Leitung des DÖW. Wie hat sich die Arbeit des Instituts in den letzten Jahrzehnten entwickelt?

Wolfgang Neugebauer: Ich glaube sehr positiv, wenn man bedenkt, dass wir mit sehr bescheidenen Mitteln angefangen haben. Heute sind wir eine anerkannte wissenschaftliche Einrichtung.

"Wiener Zeitung": Wie haben sich die inhaltlichen Schwerpunkte mit der Zeit verschoben?

Neugebauer: Am Anfang stand natürlich die Erforschung des Widerstands gegen das NS-Regime im Vordergrund. Nach und nach kamen dann weitere Themen wie der Holocaust, die Euthanasie und der Rechtsextremismus hinzu.

"Wiener Zeitung": Frau Bailer-Galanda, sehen Sie in Zukunft neue Schwerpunkte auf das DÖW zukommen?

Brigitte Bailer-Galanda: Das DÖW kann und soll sich als außeruniversitäre Forschungseinrichtung nicht von aktuellen zeitgeschichtlichen Fragestellungen abkoppeln. Aber unsere Hauptthemen werden bleiben: Neben Widerstand und Nationalsozialismus sind das Kriegsverbrechen sowie Entschädigungs- und Opferfragen.

"Wiener Zeitung": Von welchen Ideologien gehen die größten Gefahren für Demokratie und Rechtsstaat aus - werden dies auch in Zukunft Rechtsextremismus und Nazismus sein, oder sehen Sie neue Bedrohungen?

Bailer-Galanda: Die Frage des Antisemitismus wird wieder virulent. Diesen finden wir heute nicht nur in rechtsextremen und islamistischen Kreisen, sondern leider auch immer mehr auf Seiten der extremen Linken und der hier angesiedelten Globalisierungskritiker.

"Wiener Zeitung": Wie erklären Sie sich das?

Bailer-Galanda: Das hängt mit einer gewissen Tradition der Kapitalismus-Kritik der Linken zusammen und hat auch mit den in den Köpfen nach wie vor bestehenden antisemitischen Stereotypen zu tun, etwa jenem von der jüdischen Weltwirtschaftsmacht. Eine weitere Ursache liegt in der vorgeblich antiimperialistischen Kritik an der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern, wobei hier Maßstäbe an Israel angelegt werden, die sonst nirgendwo zur Anwendung kommen.

Neugebauer: Das ist eine sehr gefährliche Tendenz, denn diese Kräfte sehen sich auch nicht als Antisemiten sondern rein als Antiimperialisten. Das birgt ein gewisses Gefahrenpotenzial auch für Österreich.

"Wiener Zeitung": Das DÖW hat sich immer wieder tagespolitisch zu Wort gemeldet, vor allem wenn es um Querverbindungen zwischen der FPÖ und diversen rechtsextremen Organisationen ging. Hat sich aus Ihrer Sicht die FPÖ seit ihrem Regierungseintritt 2000 verändert?

Neugebauer: Das DÖW ist und war nie eine parteipolitische Kampforganisation gegen die FPÖ, sondern wir setzen uns wissenschaftlich mit dem Rechtsextremismus auseinander. Unter der Obmannschaft Jörg Haiders gab es nun einmal starke Querverbindungen in diesem Bereich. Es ist aber auch nicht zu übersehen, dass es seit dem Jahr 2000 eine neue Entwicklung gibt: Während sich das rechte Gedankengut auf einen neuen Flügel rund um die Personen Stadler, Strache oder Mölzer verlagert, vertritt der Regierungsflügel demgegenüber eine andere Position.

Bailer-Galanda: Diese Flügel hat es in der FPÖ immer schon gegeben.

Neugebauer: Bei der EU-Wahl haben wir gesehen, dass der nationale Flügel nach wie vor relativ stark ist und mobilisieren kann.

"Wiener Zeitung": Wie sieht die finanzielle Situation des DÖW aus?

Neugebauer: Die ist seit eh und je gespannt. Der Bundesbeitrag wurde seit 1998 nicht mehr angehoben - auch deshalb können wir unsere hausinterne Ausstellung, die noch aus dem Jahr 1978 stammt, nicht erneuern.

Bailer-Galanda: Diese Erneuerung wird das zentrale Projekt unter meiner Führung sein.

"Wiener Zeitung": Ist das DÖW in die Planungen für das Gedenkjahr 2005 eingebunden?

Neugebauer: Ich war in die Planungen eingebunden, bin aber aus verschiedensten Gründen wieder ausgestiegen. Besonders gestört hat mich, dass für die Jubiläums-Ausstellung anlässlich der Staatsvertragsunterzeichnung Millionen-Beträge ausgegeben werden können, aber für die Erneuerung unserer Ausstellung, die höchstens ein Zehntel dessen kostet, keine Mittel da sind.

Bailer-Galanda: Leider werden generell die Mittel für die Geisteswissenschaften zurück gefahren. Zudem gibt es in Österreich nicht die Möglichkeiten, private Sponsoren zu rekrutieren wie in anderen Ländern - und diese Entwicklung wird sich in Zukunft noch weiter verschärfen.

Das Gespräch führte Walter Hämmerle