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Im Interview mit der "Wiener Zeitung" spricht Patrick Hörl (41), Geschäftsführer von "Discovery Networks", über die mediale Aufarbeitung der Flutkatastrophe in Südostasien. Hörl weilte auf Einladung der Akademie für Evangelisation in Wien.
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"Wiener Zeitung": Wie hat "Discovery Channel" über die Flutwelle in Südostasien berichtet?
Patrick Hörl: Mit einer Dokumentation über Tsunamis am Tag danach.
"Wiener Zeitung": Halten Sie den Umgang der TV-Stationen mit der Katastrophe für gelungen?
Patrick Hörl: Prinzipiell schon. Bei so einem Ereignis versucht jeder zunächst einmal sinnliche Erfahrungen zu sammeln, um das Unglück verarbeiten zu können. Die Grundlage dafür sind nun einmal Fernsehbilder. Ich würde hier den Menschen nicht von vornherein Sensationsgeilheit unterstellen. Auch ich selbst habe als Zuschauer zuerst nach Bildern gesucht. Zudem darf man nicht vergessen, dass die Bilder eine wichtige Rolle beim Spendensammeln gespielt haben.
"Wiener Zeitung": Gibt es Bilder, die man nicht zeigen darf?
Patrick Hörl: Ja, ganz sicher.
"Wiener Zeitung": Und welche sind das?
Patrick Hörl: Man hat die Verantwortung, dass die Menschen mit den Bildern, die sie sehen, auch umgehen können. Bilder von entstellten Wasserleichen sollen nicht gezeigt werden.
"Wiener Zeitung": Warum eigentlich nicht?
Patrick Hörl: Weil der Mensch eine Würde hat. Und die behält er auch nach seinem Tod.
"Wiener Zeitung": Wo liegt die Grenze zwischen dem, was gezeigt und was nicht gezeigt werden kann?
Patrick Hörl: Da gibt es keine scharfen Grenzen. Die Journalisten, Fotografen und Kameraleute müssen sich hier auf das eigene Gefühl verlassen. Ein Ethik-Rat, der genau festlegt, aus welcher Entfernung und welchem Blickwinkel ein Bild erlaubt ist, würde - glaube ich - keinen Sinn machen.
"Wiener Zeitung": Während in Spielfilmen Gewalt und Tod zelebriert werden, wird in der Berichterstattung immer wieder gefragt, ob Bilder von Toten den Menschen zumutbar sind. Ein Widerspruch, oder?
Patrick Hörl: Das stimmt. Allerdings stellen auch Dokumentarbeiträge die Gewalt immer expliziter dar. Das verändert die Wahrnehmung. Menschen gewöhnen sich an vieles. Für die Betroffenheit ist nicht nur der Realismus der Bilder entscheidend, sondern das Wissen, dass es tatsächlich geschehen ist. Die Menschen in Europa waren so schockiert, weil ein "Paradies" vernichtet wurde, dass zur Urlaubszeit fest in westlicher Hand war. Die Welle erreichte auch Afrika - darüber berichtet niemand.
"Wiener Zeitung": Welche Folgen hatte die Katastrophe auf Ihren Sender?
Patrick Hörl: Die Einschaltquoten haben sich vervierfacht.
Das Gespräch führten Matthias G. Bernold und Walter Hämmerle