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Interview mit Reinhold Lopatka

Von Alexandra Grass und Walter Hämmerle

Politik

Nicht die Art und Weise der innenpolitischen Auseinandersetzung, sondern fehlende Spannung sind für ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka im "Wiener Zeitung"-Interview die Ursache für die - mittlerweile zum Teil bereits erschreckend - niedrige Wahlbeteiligung bei jüngsten Landtags- und EU-Wahlen.


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"Wiener Zeitung": Das Bush-Team hat im US-Wahlkampf Kerry wegen seiner Wankelmütigkeit als flip-flop-Senator bezeichnet. Was fällt Ihnen zu dem Begriff ein?

Reinhold Lopatka: Alfred Gusenbauer.

"Wiener Zeitung": Die politische Auseinandersetzung zielt immer mehr direkt auf die Unterminierung der Glaubwürdigkeit des Mitbewerbers ab - eine Ursache für die sinkende Wahlbeteiligung und steigende Politikverdrossenheit?

Reinhold Lopatka: Das sehe ich nicht so. Überall dort, wo es um etwas geht und wo die Menschen das Gefühl haben, dass ihre Stimme etwas bewirken kann, gehen die Bürger zu den Wahlen. Das hat die letzte Nationalratswahl bewiesen, wo die Beteiligung gestiegen ist. Es ist die Aufgabe aller Parteien, den Bürgern klar zu machen, welche Bedeutung jede einzelne Stimme hat.

"Wiener Zeitung": Die niedrige Wahlbeteiligung bei den Wahlen in Tirol, Vorarlberg oder zum EU-Parlament ist kein Gegenbeweis?

Reinhold Lopatka: Nein. In Tirol und Vorarlberg gab es klare Verhältnisse mit starken Landeshauptleuten und schwachen Oppositionsparteien. Hier hat einfach die Spannung gefehlt. Was die EU-Wahlen angeht, so kann man nicht von 18 Abgeordneten, die Österreich im EU-Parlament stellt, erwarten, dass sie das Europa-Thema so umfassend vermitteln wie 183 Nationalratsabgeordnete. Hinzu kommt, dass auch in der Medienberichterstattung Europa oft zu kurz kommt.

"Wiener Zeitung": Wie wird das bei der steirischen Landtagswahl im Herbst kommenden Jahres sein?

Reinhold Lopatka: Ich gehe davon aus, dass die Wahlbeteiligung vom letzten Mal - 74 Prozent - übertroffen wird.

"Wiener Zeitung": Demnach gibt es hier keine klaren Verhältnisse?

Reinhold Lopatka: Die Wahl wird sicherlich spannender als in Tirol oder Vorarlberg, das hat aber auch damit zu tun, dass die SPÖ im Land strukturell stärker ist.

"Wiener Zeitung": Könnten die EstAG-Affäre und die Diskussion um Spielberg dazu führen, dass Waltraud Klasnic das Schicksal von Franz Schausberger in Salzburg erleidet?

Reinhold Lopatka: Sicher nicht, weil sie am ausgezeichneten Wahlergebnis 2000 anschließen wird. Die EstAG-Affäre ist gelöst und das Rennsport-Projekt Spielberg auf Schiene. Klasnic hat als Person hervorragende Umfragewerte, während ihr Herausforderer (SP-Chef Franz Voves; Anm.) farblos geblieben ist.

"Wiener Zeitung": Welchen Anteil hat die Bundespartei am schlechten Zustand der Wiener ÖVP?

Reinhold Lopatka: Die ÖVP ist am 17. April 1945 gegründet worden. Seit damals ist sie in eigenständige, unterschiedlich starke Landesparteien gegliedert. Hier würde kein Land seine Verantwortung mit der Bundespartei teilen wollen. Die politische Großwetterlage spielt sicherlich eine Rolle, aber entscheidend ist das lokale Klima.

"Wiener Zeitung": Welche Themen werden die Wahlen 2006 bestimmen?

Reinhold Lopatka: Es ist im Dezember 2004 viel zu früh, Aussagen darüber zu treffen, was im Oktober 2006 wahlentscheidend sein könnte. Niemand weiß, wie mögliche Naturkatstrophen, Terror-Anschläge wie in Madrid oder Polit-Attentate wie in Holland das politische Klima prägen können.

"Wiener Zeitung": Die Betonung von Werten hat derzeit wieder Konjunktur.

Reinhold Lopatka: Die ÖVP hat sich immer als werte-orientierte Partei verstanden: Das Christdemokratische steht im Vordergrund angereichert mit liberalen Elementen im rechtstaatlichen und wirtschaftspolitischen Bereich. Zum Unterschied zur SPÖ mussten wir hier nie - Stichwort Verstaatlichte - etwas von unseren Grundsätzenüber Bord werfen.

"Wiener Zeitung": Ex-Innenminister Strasser hat konsequent den rechten Rand abgedeckt, bedeutet der Wechsel zu Liese Prokop eine Rückkehr zur Mitte?

Reinhold Lopatka: Nein, denn wenn man Strasser so sieht, hat man ihn grob missverstanden. Er hat das Notwendige getan. Prokop hat wie Strasser die Asyl-Debatte auf eine gute Formel gebracht: Hilfe wo notwendig, Stopp bei Missbrauch und Strafe bei Kriminalität.

"Wiener Zeitung": Also alles nur Rhetorik?

Reinhold Lopatka: Noch gibt es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen - das wird auch dann spürbar, wenn Frauen ein Ressort führen.

"Wiener Zeitung": Was war innenpolitisch das unerfreulichste Ereignis 2004?

Reinhold Lopatka: Schmerzhaft war sicherlich das Ergebnis der Salzburger Landtagswahlen.

"Wiener Zeitung": Und das erfreulichste?

Reinhold Lopatka: Dass wir bei den EU-Wahlen unser bestes Ergebnis erzielen konnten.

"Wiener Zeitung": Was wünschen Sie sich vom kommenden Jahr?

Reinhold Lopatka: Dass Österreich von Naturkatastrophen verschont bleibt, die Reformpolitik fortgesetzt wird und Europa weiter an Gestalt, Vertiefung und Seele gewinnt.

Das Gespräch führten Alexandra Grass und Walter Hämmerle