Der Europäische Gerichtshof (EuGH) prüft gerade, ob die österreichische Zugangsregelung für Studierende EU-konform ist. Christoph Badelt, Rektor der Wiener Wirtschaftsuniversität, betont, dass entgegen Medienberichten die Österreichische Rektorenkonferenz noch kein Positionspapier dazu erstellt hat.
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"Wiener Zeitung": Wie lautet die Position der Rektorenkonferenz zum Hochschulzugang? Sehen Sie dringend Handlungsbedarf? Für die Universität Wien sieht Rektor Georg Winckler ja vorläufig noch keinen.
Christoph Badelt: Die Rektorenkonferenz hat dazu kein Papier erstellt. Das ist eine Zeitungsente. Es gibt einen Zettel, auf dem der Generalsekretär Einzelmeinungen zusammengeschrieben hat. Das ist durch eine Indiskretion hinausgegangen.
Ich glaube, dass Handlungsbedarf besteht, sehe aber keinen Unterschied zu Winckler. Wenn das EuGH-Urteil kommt, besteht Handlungsbedarf in dem Sinn, dass sich die Unis für Studien, bei denen der Numerus clausus in Deutschland zu relativ großen Warteschlangen führt, vorbereiten müssen. Winckler sagt, dass die Universität Wien jetzt keine Aufnahmeprüfungen über den Sommer einführen wird. Als WU-Rektor sage ich: Wir sicher auch nicht. Wir werden die Studierenden in unsere Eingangsphase hineinnehmen, wie wir das ohnehin schon praktizieren und wie das bei anderen Universitäten erst aufgebaut werden muss. Ich vermute, dass meine Kollegen von den Medizin-Universitäten das anders sehen, weil dort die Dramatik noch viel größer ist als etwa in der Betriebswirtschaftslehre.
"Wiener Zeitung": Teilen Sie die Hoffnung jener, die meinen, das EuGH-Urteil werde nicht so kommen, wie es beantragt wurde?
Christoph Badelt: Ich bin kein Europarechtler. Von denen, die ich kenne, sagen alle: Das Urteil wird so kommen. Ich glaube, dass es verantwortungsvoll ist, mit dieser Situation umzugehen und nicht zu sagen: Jetzt tun wir einmal nichts. Die Universitäten haben Anfang Juli den Beginn der Zulassungsfrist für das Wintersemester. Das Urteil kommt voraussichtlich relativ knapp davor und ist dann sofort in Rechtskraft. Ich muss mich als Rektor für den Fall vorbereiten, dass wirklich eine größere Zahl von Studierenden, und nicht nur Deutsche, sondern vielleicht auch aus der Slowakei, zusätzlich zu uns kommen.
"Wiener Zeitung": Der VSStÖ hat jüngst in einem Offenen Brief die Rektoren aufgefordert, Farbe zu bekennen. Ihre Antwort?
Christoph Badelt: Eine große Zahl der österreichischen Rektoren, die an einem Tag in der Karwoche verfügbar waren, hat gemeinsam eine Antwort-Mail verfasst. Darin wurde nochmals bestätigt, dass die Ausgangshypothese falsch ist: Es gibt keine endgültige Position der Rektorenkonferenz zu diesem Thema. Wir sehen es als unsere Verantwortung an, über mögliche Auswirkungen des EuGH-Urteil und langfristig über den Hochschulzugang nachzudenken, aber eine konkrete Beantwortung der Fragen ist erst möglich, wenn wir die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen. Es gibt natürlich einzelne Rektoren, die radikale Maßnahmen fordern, aber solche Maßnahmen sind nach der gegenwärtigen Rechtslage gar nicht möglich - diese aber wird von der Politik verändert, nicht von der Rektorenkonferenz.
"Wiener Zeitung": Könnte ein Numerus clausus die Probleme lösen?
Christoph Badelt: Ich kenne keinen Rektor, der für einen Numerus clausus im Sinne des deutschen Systems wäre. Als Rektor der Wirtschaftsuniversität halte ich die Studieneingangsphase, wie wir sie jetzt schon haben, für ein taugliches Instrument, um dieses Problem zu lösen. Wenn auf einmal 5.000 kämen, dann hätte ich auch ein Problem mit meiner Eingangsphase, aber damit rechne ich nicht. Ich weiß, dass die Situation bei den Medizin-Universitäten anders ist, weil dort das Missverhältnis zwischen Studienplätzen und möglichen Studienbewerbern viel krasser ist.
"Wiener Zeitung": Kann man überhaupt alle Hochschulen über einen Kamm scheren und eine allgemeine Position der Rektoren finden?
Christoph Badelt: Es wäre denkbar, dass sich die Rektorenkonferenz auf eine Linie festlegt und z.B. vorschlägt, wie viel soll dezentral, wie viel zentral entschieden werden. Es ist denkbar, dass die Rektorenkonferenz an den Gesetzgeber herantritt und sagt: Wir wünschen uns dieses oder jenes. Die Rektorenkonferenz will sich diesen Themen in aller Sachlichkeit stellen. Es wird am 18. April eine international besetzte öffentliche Veranstaltung geben. Die Zeiten sind leider nicht sehr für Sachlichkeit, wir haben ja z.B. einen anlaufenden ÖH-Wahlkampf.
"Wiener Zeitung": Ist es denkbar, dass der EuGH ein Einsehen mit Österreichs Regelung zeigt?
Christoph Badelt: Wenn man sich das Dokument des Generalanwaltes ansieht, so sagt er: Natürlich kann Österreich einen freien Hochschulzugang machen, aber es muss alle EU-Bürger gleich behandeln. De facto wird damit Druck auf Österreich ausgeübt, den freien Zugang zu begrenzen, weil es eben zehnmal so viele Deutsche wie Österreicher gibt. Im Grunde ist das aber nur ein Teil des Themas. Ein anderer ist die Frage: Können wir es uns bei den bekannten Finanzierungsproblemen der öffentlichen Haushalte leisten, den freien Zugang wirklich einzulösen? Wir haben z.B. an der WU Budgets und Personalausstattungen, die nur ein Drittel und manchmal noch weniger dessen sind, was gute europäische Wirtschaftshochschulen pro Studierenden zur Verfügung haben. Wir sind da in einem massiven Wettbewerbsnachteil, und das sind wir mit oder ohne EuGH-Urteil. Durch dieses wird die Lage nur noch ein Stück weit verschärft.
Das Gespräch führte Heiner Boberski