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Intoleranz tolerieren?

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Ausgerechnet mit den Saudis ein "Zentrum für interreligiösen Dialog" zu gründen, das hat ein hohes Maß an absurder Qualität.


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Außenminister Michael Spindelegger will allen Ernstes am 13. Oktober einen Vertrag mit Saudi-Arabiens Regierung über die Errichtung eines "König Abdullah Zentrums für interreligiösen und unterkulturellen Dialog" in der Wiener Innenstadt unterzeichnen. Finanziert - und damit natürlich inhaltlich auch kontrolliert - wird diese eigenartige Institution mit rund 60 Mitarbeitern hauptsächlich vom Königreich Saudi-Arabien, dem in religiösen und kulturellen Fragen wahrscheinlich intolerantesten Regime der Welt. Mit den Saudis ein "Zentrum für interreligiösen Dialog" zu gründen, das ist ungefähr so, als würde man mit dem Vatikan ein "Zentrum zur Förderung des außerehelichen Geschlechtsverkehrs" errichten.

Wie sich Saudi-Arabien "interreligiösen Dialog" vorstellt, ist ja bekannt: Es ist dies eine eher einseitige Unterhaltung, in der vor allem der Scharfrichter am Wort ist, denn auf Abfall vom Islam steht in dem putzigen Land ja die Todesstrafe. Erlaubt ist dort ausschließlich der Wahhabismus, eine besonders radikale Strömung des Islam. Andere Formen (wie etwa Sunniten) sind nicht erlaubt und dürfen auch keine Gebetshäuser betreiben; von anderen Religionen ganz zu schweigen. Saudi-Arabien ist das einzige Land in der islamischen Welt, in dem es nicht eine einzige Kirche oder Synagoge gibt. Und zum Thema Aufklärung: Erst unlängst wurde ein Gastarbeiter wegen "Hexerei" in aller Öffentlichkeit enthauptet.

Und mit solchen Leuten will die Republik Österreich nun also ein internationales Zentrum für "interreligiösen Dialog" gründen. Die Grüne Alev Korun untertreibt noch maßlos, wenn sie das Projekt einen "schlechten Scherz" nennt.

Was unsere Regierung zu diesem Unfug antreibt, ist nicht ganz klar. Sich miesen arabischen Diktaturen mit ausreichender Barschaft schmierig anzudienen, hat hierorts ja eine gewisse außenpolitische Tradition, Muammar Gaddafi wurde vor nicht allzu langer Zeit mit einem Ständchen des Bundesheers beglückt. Dazu mag sich jene Konsensversoffenheit gesellen, die Dialog auch mit dem widerwärtigsten System dem manchmal einfach notwendigen offenen Konflikt vorzieht; als hätte man etwa Adolf Hitler durch einen "interideologischen Dialog" am Runden Tisch vom Zweiten Weltkrieg abbringen können.

Die Interessenlage der Saudis hingegen ist klar: unter dem Deckmantel des vermeintlichen Dialogs den Wahhabismus in Europa zu stärken und zu verbreiten. Unsere Regierung macht sich damit zumindest indirekt zum Helfershelfer einer religiösen Formation, deren Lebenspraxis mit Menschrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit völlig inkompatibel ist. Solchen Leuten bietet man kein Forum, ihre völlig inakzeptablen Werte auch noch zu promoten - solchen Leuten tritt man in jeder angemessenen Form robust entgegen.

Außenminister Spindelegger hebt bei seinen Auftritten auf den Bühnen der internationalen Diplomatie die Wichtigkeit der Menschenrechte regelmäßig hervor. Am 13. Oktober kann er beweisen, dass er sie auch bei etwas saudischem Gegenwind zu verteidigen gewillt ist. Indem er den Vertrag nicht unterschreibt.

ortner@wienerzeitung.at