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Investment: Die Suche nach den "bösen Buben" beginnt wieder

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Wertorientiertes Anlegen, Value Investing, ist in den vergangenen zehn Jahren als Anlagestrategie ins Hintertreffen geraten. Marc Renaud, Gründer des Investmentfonds Mandarine Gestion, sieht dank der europäischen Zinspolitik hier eine Trendwende.


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Wien. "Mich interessieren jene Unternehmen, die schlecht performen und wenig kosten", erklärt Marc Renaud seine Anlagestrategie. Oder, anders formuliert: "Ich bin auf der Suche nach den ,bösen Buben‘."

Marc Renaud ist in seinem Fonds Mandarine Gestion für das sogenannte Value Investing zuständig - mit einem Fondsvolumen von gegenwärtig 628 Milliarden Euro.

Das Value Investing befindet sich in einer Gegenbewegung zum typischen Anlegerverhalten. Denn oft kaufen die Fonds, mitunter auch wegen ihrer Auflagen, diejenigen Anlagen, die sich günstig entwickeln und auch so manche Kriterien in Sachen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung erfüllen.

Ein Value-Investor schaut sich hingegen den stiefmütterlich behandelten Teil des Marktes an. Es wird geprüft, wie das Unternehmen die vergangenen Jahre gewirtschaftet hat, wie es bewertet worden ist, und - von entscheidender Bedeutung - ob es in der Zukunft einen Katalysator geben wird. Ein Ereignis, das den Wert nach oben katapultiert, quasi wertberichtigt. Natürlich könnte es auch in die Hose gehen, man solle keine Titel kaufen, die bald den Markt verlassen werden. Von der Commerzbank lässt Renaud etwa die Finger, da sehe er kein Zukunftsmodell.

Wo er hingegen schon eine Zukunft sieht, ist das französische Mineralölunternehmen Total. Das ist einer der größten Einzelwerte von Mandarine Gestion. Total wird von anderen Anlegern derzeit gemieden - denn das Umdenken zu neuen Energiequellen lässt Öl und Gas derzeit wenig zukunftsträchtig erscheinen. Dafür wird von Marktteilnehmern gerne in jene Konzerne investiert, die schon heute mit Erneuerbaren Energiequellen am Markt punkten. Renaud tut das nicht. "Ich kaufe nicht die Klassenbesten. Ich kaufe Total. Sie sind billig. Und sie haben die Zeichen der Zeit erkannt und werden hohe Investments in die Energiewende stecken."

Der sogenannte Katalysator, also der Punkt, wo Total attraktiver wird, ist absehbar. Außerdem, fügt Renaud hinzu, werde man um Erdöl in den nächsten dreißig Jahren nicht herumkommen.

Renaud gibt unumwunden zu, dass die vergangenen zehn Jahre für seine Anlagestrategie nicht die besten waren. "Es war ein Albtraum", erklärt Renaud bei einem Pressegespräch in Wien.

Denn die Niedrig- und Nullzinsen im Euroraum haben dem auf europäische Werte fokussierten Fonds schwer zu schaffen gemacht. Mit Nullzinsen gehen Anleger oft in Aktien hinein, die Sicherheit versprechen. Auch wenn unter dem Strich dabei kein Gewinn herausschaut, sondern nur eine verlässliche Dividende.

Außerdem wird die Bewertung von Anleihen mit Null-Prozent-Zinsen rein mathematisch äußerst kompliziert. Niemand wollte in der jüngeren Vergangenheit Unternehmen anfassen, die der Hauch von Risiko umwehte. Und das ist aber genau der Teil des Marktes, wo Renaud tätig ist.

Warum ist diese Phase nun zu Ende? Weil die Politik der Nullzinsen langsam aufhört, meint Renaud. Vielleicht werden die Leitzinsen nicht angehoben. Aber sie werden nicht mehr weiter nach unten gedrückt. Seit es diese Signale von der Europäischen Zentralbank gegeben habe, habe sich auch der Value-Markt erholt, man hätte eine signifikante Verbesserung im Herbst 2019 gespürt.

Auch wenn Renaud für das Risiko ist: Von rein britischen Werten lässt sogar er derzeit die Finger - "jetzt wo der Brexit zu 99,9 Prozent fix ist". Der Brexit werde kurzfristig auf jeden Fall wehtun. Außerdem seien britische Werte noch immer nicht billig.

Im deutschen Markt kauft Renaud dagegen gerade wieder zu. Deutsche Werte waren lange Zeit zu teuer, denn es war der berühmte sichere Hafen für Anleger. Jetzt aber mit der Krise im deutschen Mittelstand wird Deutschland für Renaud wieder attraktiver.