Gericht sprach anlegerfreundliches Machtwort. | Vorrang für Haftungsansprüche der Aktionäre. | Wien. Die Schadenersatzprozesse mutmaßlich geschädigter Immofinanz- und Immoeast-Anleger gegen die frühere Constantia Privatbank und die börsennotierte Immofinanz erhalten neue Munition.
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Die Christian Niedermeyer Privatstiftung um den gleichnamigen früheren Elektrohändler hat die Immofinanz, die Constantia Privatbank und Ex-Banker Karl Petrikovics auf vier Millionen Euro Schadenersatz geklagt. Der Grund: Die Darstellung der Unternehmenstätigkeit, der Strategie und des Risikos bei den Kapitalerhöhungen der Immoeast 2006 und 2007 sollen unrichtig beziehungsweise irreführend gewesen sein. Statt Immobilieninvestments in Osteuropa einzugehen, so lautet der Vorwurf, seien die Gelder hochriskant und hochspekulativ für unbesicherte Darlehen an die Konzernmutter eingesetzt worden. Niedermeyers Stiftung hat insgesamt 438.512 Immoeast-Aktien erworben und ist nach Bekanntwerden dieser mutmaßlichen Malversationen finanziell auf die Nase gefallen.
Nach einem Ping-Pong-Spiel durch die Gerichtsinstanzen - die Klage wurde vom Erstgericht abgeschmettert und als unschlüssig abqualifiziert - hat nun der Oberste Gerichtshof (OGH) ein anlegerfreundliches Machtwort gesprochen.
Mit dem druckfrischen Urteil (Aktenzahl 7 Ob 77/10i) haben die Höchstrichter das Niedermeyer-Verfahren "zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen" und Niedermeyers Anwälten aus der Kanzlei CMS Reich-Rohrwig aufgetragen, "aufgezeigte Unzulänglichkeiten in der Klage zu sanieren". Damit sind die Karten völlig neu gemischt.
Keine "verboteneEinlagenrückgewähr"
Zugleich hat der OGH im Fall Niedermeyer grundsätzliche Rechtsentscheidungen getroffen, die auf viele Anlegerverfahren durchschlagen werden, in denen die Rückabwicklung eines Investments wegen Irreführung beim Kauf der Wertpapiere eingeklagt wird. So stellen die Höchstrichter klar, dass es sich bei den Schadenersatzforderungen des Aktionärs gegen Immofinanz-Immoeast um keine "verbotene Einlagenrückgewähr" handelt, wie von der Immofinanz eingewendet worden war.
Zur Erklärung: Dieses Verbot betrifft die Rückzahlung von Eigenkapital an Gesellschafter beziehungsweise verdeckte Gewinnausschüttungen. Nach Ansicht des OGH haben nämlich Prospekthaftungsansprüche eines Aktionärs Vorrang vor aktienrechtlichen Bestimmungen, zumal diese Prospekthaftungsansprüche nur Neuaktionäre im Zuge der Kapitalerhöhung haben. Diese seien wie andere Gläubiger auch zu behandeln.
Alle Aktionäresind gleich
Zugleich schmetterte der siebte Senat des Höchstgerichts den Einwand ab, Großaktionären bzw. sogenannten qualifizierten Aktionären, wie eben Niedermeyer, würde dieser Vorrang des Kapitalmarktrechts nicht zugute kommen. "Ein Ausschluss der Prospekthaftungsansprüche eines Großanlegern, der eine prospektpflichtige Emission zeichnet, ist dem Kapitalmarktgesetz nicht zu entnehmen", heißt es im OGH-Urteil, "weshalb es bei der unbeschränkten Möglichkeit jedes Aktionärs zu bleiben hat, (.. .) Schadenersatzansprüche geltend zu machen."
Außerdem stellten die Höchstrichter fest, dass Niedermeyers Privatstiftung die Rückabwicklung des ruinösen Aktienkaufs nicht nur gegen die Constantia Privatbank einklagen kann, die die Immoeast-Aktien emittierte, sondern auch gegen die Immofinanz und gegen den früheren Triple-Vorstand Petrikovics selbst. Denn der Klagsvorwurf, auch sie hätten Kenntnis von der Unrichtigkeit des Immoeast-Prospekts gehabt, leite einen möglichen Haftungsanspruch ab. Christian Niedermeyer wollte zu dem laufenden Verfahren keine Stellungnahme abgeben.