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Investoren scheuen Europa

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

Kapitalflucht aus Euro-Krisenländern ist schlimmer denn je, warnt IWF.


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Tokio.

Die Europäer sind global gesehen das, was die Griechen für die Eurozone sind: ein Risiko. Sie fühlen sich auch ähnlich unverstanden: Bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und seiner Schwesterorganisation Weltbank in Tokio treten die Europäer ziemlich angesäuert auf. Da warnt der IWF, dass die USA und Japan ebenfalls große Risiken für das Weltwachstum darstellen, aber diskutiert wird nur über die Eurokrise.

Wo doch (aus Sicht der alten Welt) mit dem Euroschirm ESM und dem Kurswechsel der Europäischen Zentralbank (EZB) nun ohnehin mächtige Feuermauern aufgebaut sind. Vor allem die Deutschen echauffieren sich über die unfaire Behandlung: Finanzminister Wolfgang Schäuble versuchte vorsorglich, gute Stimmung zu machen: In einem Gastbeitrag im "Wall Street Journal" betonte er, dass Europas Reformen funktionierten und erste Früchte trügen. Anders als die USA halte Europa die Zielvorgabe des Treffens der 20 größten Wirtschaftsmächte (G20) vor zwei Jahren in Toronto ein: die Defizite bis 2013 zu halbieren.

Viel weniger Kredite

Alles vergebens: Die Debatten in Tokio drehen sich vornehmlich um den Euro. Im Finanzstabilitätsbericht des IWF ist Europa ein großes Kapital gewidmet: "Es sind zwar seitens der Politik wichtige Schritte gemacht worden, diese Reformagenda bleibt aber besorgniserregend unvollendet - womit die Eurozone einer Abwärtsspirale von Kapitalflucht, Angst vor dem Auseinanderbrechen und Rezession ausgesetzt ist", schreibt der IWF in seinem am Mittwoch veröffentlichten Bericht.

Die Kapitalabflüsse aus den Euro-Krisenländern sind in der Tat dramatisch und so groß wie seit Ende 2009 nicht (Grafik 1). Obendrein schwächelt in den Krisenländern die Kreditvergabe massiv und verlagert sich zusehends vom privaten zum öffentlichen Sektor. Das heißt, die Europäische Zentralbank (EZB) und die Euro-Rettungsschirme müssen für die Banken einspringen.

Deshalb sind die Kredite für Firmen in Italien, Spanien und Co. um ein Vielfaches teurer als in Deutschland oder Österreich. Das lieferte EZB-Chef Mario Draghi die Begründung, warum die Zentralbank mit ihren Anleihenkäufen die Zinsen in den Peripherieländern drücken möchte.

Die IWF-Zahlen führen drastisch vor Augen, dass die Eurokrise trotz der angekündigten EZB-Intervention nicht gelöst ist - dazu müssten das Vertrauen der Märkte in Europa zurückgewonnen und die Kapitalabflüsse umgekehrt werden.

Österreichs Banken im Fokus

Besonders argwöhnisch betrachtet der IWF die Banken. Diese müssten ihre Vermögenswerte bis Ende 2013 um sage und schreibe 2,7 Billionen US-Dollar schrumpfen, um das Risiko zu reduzieren und die strengeren Kapitalvorgaben zu erfüllen. Wird das schlecht gemanagt, sinkt die Kreditversorgung der Krisenländer bis Ende 2013 um 9 Prozent.

Das würde dem Wachstum schaden - und zwar gewaltig. Verschärft sich die Eurokrise, könnte das Schrumpfungsziel sogar auf 4,5 Billionen US-Dollar anwachsen. Das IWF-Grundszenario geht jedoch davon aus, dass die Integration der Eurozone voranschreitet, die Bankenunion rasch umgesetzt wird, die EZB die Anleihenzinsen gering hält und die Krisenländer am Reformkurs festhalten. Tun sie das nicht oder bröckelt die Unterstützung durch die Geldgeber, droht 2013 ein Absturz des Wachstums für Griechenland und Co. um bis zu vier weitere Prozentpunkte (Grafik 2). Auch die Kernländer wären mit gut einem Prozentpunkt betroffen - mitten in der Rezession.

Besonders exponiert sieht der IWF die Banken in Zentral- und Südosteuropa - und damit auch die österreichischen Institute. Bei den faulen Krediten werden Österreichs Banken mit 8,5 Prozent nur - im negativen Sinne - von den griechischen (20,2 Prozent), irischen (19,1 Prozent) und italienischen Instituten (10,7 Prozent) übertroffen. Sogar Spaniens maroder Bankensektor weist in Summe eine bessere Kreditqualität (5,6 Prozent) auf.

Bei der Abhängigkeit von kurzfristiger Refinanzierung, bei der Höhe der durch Spareinlagen abgesicherten Kredite und bei der Kernkapitalquote schneiden Österreichs Banken laut IWF durchschnittlich ab. Gut ist die relativ geringe Kredithebelrate.