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Investorenschutz auf Schiene

Von Alexander U. Mathé

Politik

EU stimmt für umstrittenen Punkt im EU-US-Freihandelsabkommen.


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Brüssel/Wien. Der Investorenschutz ISDS hat eine große Hürde genommen. Der Handelsausschuss des Europäischen Parlaments hat am Donnerstag seine Position zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) beschlossen. Darin wurde unter anderem festgehalten, dass ein "effektives System zum Investitionsschutz" aufgebaut werden soll, und zwar "auf Basis des Entwurfs von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström". Der Text ist das Resultat eines Kompromisses zwischen der sozialdemokratischen S&D-Fraktion sowie der konservativen EVP.

Investorenschutz ist seit langem einer der umstrittensten Punkte des Freihandelsabkommens. Nichtregierungsorganisationen und vor allem Parteien, die im politischen Spektrum links von der Mitte liegen, laufen Sturm gegen die Klausel, die es Konzernen ermöglicht, Staaten an der nationalen Gerichtsbarkeit vorbei vor Privattribunalen zu klagen. Das österreichische Parlament hatte in einer Entschließung erklärt, dass es ISDS-Klauseln in den Abkommen mit den USA und Kanada als nicht sinnvoll erachte und auch Bundeskanzler Werner Faymann hatte die Schiedsgerichte als "nicht erforderlich" bezeichnet.

Rechte setzt sich durch

Dementsprechend groß war die Empörung bei Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace, Attac oder Global2000. Letztere nannten den Beschluss des EU-Handelsausschusses eine "Katastrophe für Umwelt und Demokratie". "Die Sozialdemokraten haben ihr Wort gebrochen", hieß es von Attac. Ebenfalls empört sind die Grünen. Für den EU-Abgeordneten Michel Reimon ist der Beschluss "ein schmutziger Last-Minute-Deal der großen EU-Koalition aus Sozial- und Christdemokraten".

Und auch manch einer, der selbst im Ausschuss den Beschluss unterstützt hatte, wirkte nach der Abstimmung unglücklich. "Auch mir wäre ein dezidierterer Text lieber gewesen", sagte Jörg Leichtfried. Er ist österreichischer Abgeordneter der europäischen Sozialdemokraten, Mitglied des Handelsausschusses und hat für die Resolution gestimmt. Zu mehr habe es aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Handelsausschuss nicht gereicht, erklärte er. "Das Hauptproblem war, dass die S&D-Fraktion befürchtet hat, dass unter Umständen überhaupt keine Resolution zustande kommt." Ein schärferer Beschluss hätte lediglich dazu geführt, dass dieser nicht angenommen worden wäre. Und selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass so ein Text durchgegangen wäre, hätte ihn die rechtskonservative Mehrheit im Ausschuss gekippt. "Das Ergebnis wäre entweder eine viel schlechtere Formulierung oder gar nichts gewesen."

Das sieht Reimon anders. "Bis gestern gab es eine Beinahe-Pattstellung." Bei 41 Mitgliedern des Ausschusses haben Volkspartei, Liberale und Konservative bei 18 bis 20 Stimmen pro ISDS gelegen; Sozialdemokraten, Grüne, Linke und Rechtspopulisten haben bei 18-19 gegen ISDS gezählt. Von drei fraktionslosen Abgeordneten haben sich zwei ebenfalls gegen ISDS ausgesprochen, "Damit hätten die Kritiker die Abstimmung gewinnen können", erklärte Reimon.

Kompromiss unter Deutschen

Gut informierten Kreisen im Europaparlament zufolge geht der Kompromiss zwischen Sozialdemokraten und Volkspartei auf eine deutsch-deutsche Einigung einen Tag vor der Abstimmung zurück. Ausgehandelt haben diese der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Bernd Lange und der Abgeordnete Daniel Caspary von der EVP, heißt es.

Freude über den Beschluss herrschte bei Volkspartei und Konservativen. Es sei ein "qualitativ sehr wertvoller Fortschritt", sagte Vizekanzler Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Die Notwendigkeit eines Referendums in Österreich sehe er nicht, sagte Mitterlehner.

Nun blickt alles auf die Abstimmung im Plenum im Juni. Leichtfried glaubt, dass bis dahin noch Nachbesserungen möglich sind. "Ich gehe davon aus, dass meine Fraktion noch Anträge stellen wird, die ein akzentuierteres Herangehen an die ISDS-Frage bedeuten werden." Mitterlehner erklärte, er gehe davon aus, "dass es eine Regelung geben wird".

Doch auch andere Fragen wie etwa jene von Positiv- und Negativliste, die das Ausmaß an Liberalisierung bestimmen, könnten noch einmal in den Fokus rücken. "Ich hoffe, dass das noch diskutiert wird. In dieser Abstimmung hat es einen Alternativantrag der Linken und Grünen gegeben, der meines Erachtens nach viel unterstützenswerter wäre als der jetzige", sagte Leichtfried. Experten zufolge dürfte sich allerdings nicht mehr viel ändern.