Er sei der beste Freund der USA im Irak, sagte Ahmed Chalabi, der Chef des Irakischen Nationalkongresses und Mitglied des von den USA eingesetzten Regierungsrates nach der Hausdurchsuchung durch US-Truppen in seiner Bagdader Villa. Gegen den ehemaligen Schützling von US-Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld laufen umfangreiche Ermittlungen wegen des Verdachts auf Korrup- | tion und Unterschlagung im großen Stil.
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Der 1945 als Sohn einer wohlhabenden schiitischen Bagdader Bankiersfamilie geborene Chalabi, dessen Familie 1958 nach dem Sturz von König Faisal aus dem Irak geflohen ist, stand schon mehrmals im Verdacht, für die eigene Tasche gearbeitet zu haben. 1992 wurde er in Jordanien nach einem Bankkonkurs in Abwesenheit wegen Betrug und Unterschlagung zu 22 Jahren Haft verurteilt. Im gleichen Jahr entstand in Wien aus mehreren irakischen Oppositionsgruppen der Irakische Nationalkongress (INC), als dessen Führer sich Chalabi durchsetzte bis er 1999 von einem siebenköpfigen Gremium abgelöst wurde. Chalabi verlegte daraufhin seine Aktivitäten in die USA. Als bekannt wurde, dass US-Gelder für die irakische Opposition nur zu einem Bruchteil für ihren wirklichen Zweck verwendet wurden, fror die Clinton-Regierung ihre Beziehungen zu Chalabi ein. Nach dem Amtsantritt der Regierung Bush fand Chalabi aber besonders in Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Vizepräsident Dick Cheney neue Förderer.
Chalabi lieferte der US-Regierung angebliche Informationen über die Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins, die als Kriegsgrund herhalten mussten, sich aber in der Zwischenzeit als falsch herausgestellt haben. Die Amerikaner mussten auch feststellen, dass Chalabi im Irak kaum Unterstützung hat und seine eigenen politischen Spiele trieb.
US-Medien berichten, Chalabi habe streng geheime US-Erkenntnisse an den Iran weitergegeben. Das Nachrichtenmagazin "Newsweek" zitiert in seiner Internet-Ausgabe einen Vertreter der US-Zivilverwaltung im Irak, dass der Nationalkongress bei der Währungsumstellung große Summen unterschlagen hat. Alte Geldscheine, die zur Vernichtung bestimmt waren, sollen von einer dem INC gehörenden Firma wieder in Umlauf gebracht worden sein. Die Amerikaner werfen dem INC auch Diebstahl von Regierungseigentum und Machtmissbrauch vor und das Pentagon stellte in der Vorwoche seine Zahlungen an den INC - bisher monatlich 280.000 Euro - ein.
Die "Washington Post" berichtete gestern, dass Chalabis Agenten nach dem Fall Bagdads im Vorjahr das Eigentum früherer Führer der Baath-Partei beschlagnahmt und tausende brisante Akten im Hauptquartier des Saddam-Geheimdienstes beschlagnahmt haben, die bis heute nicht dem neuen Geheimdienstministerium übergeben worden sind. Mit Besorgnis verfolgten die offiziellen US-Stellen auch Chalabis Beziehungen zum Iran.
Die Razzia vom Donnerstag, die offiziell Chalabis engem Mitarbeiter Aras Habib galt, der bisher ein irakischen Agentennetz führte, das von den USA finanziert wurde, gilt als politischer Warnschuss Washingtons gegen den Mann, der noch vor einem Jahr als künftiger Präsident des Iraks galt.