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Irak: Eine Regierung mit Fragezeichen

Von Ines Scholz

Politik

Iraks Nationalversammlung hat am Donnerstag das vom designierten Ministerpräsidenten Ibrahim al-Jaafari vorgestellte Kabinett gebilligt. Es handelt sich allerdings derweil nur um ein Provisorium. Um die Besetzung einiger wichtiger Posten - darunter die Leitung der Ressorts Verteidigung und Erdöl - wird unter den Koalitionsparteien weiter gerangelt.


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Nach wochenlangem Feilschen hinter den Kulissen war es gestern soweit: Der Schiite Jaafari stellte zunächst Präsident Talabani und anschließend den Vertretern des Interimsparlaments sein neues Kabinett vor und erhielt von beiden grünes Licht. Überwältigend war die Zustimmung in der Volksvertretung jedoch nicht: Nur ein Drittel (180) der insgesamt 275 Abgeordneten stimmte für die aus Schiiten, Kurden, Sunniten und einem Christen bestehende Regierung; 89 glänzten durch Abwesenheit, fünf votierten dagegen. "Es kann doch nicht angehen, dass wir mit verbundenen Augen eine Liste von Leuten absegnen, deren Namen wir nicht kennen", mockiert sich ein Abgeordneter.

Tatsächlich ist die neue Regierung mit großen Fragezeichen behaftet. Keiner weiß, was passiert, wenn es bis zum Ablauf der Jaafari gesetzten Frist für die Regierungsbildung am 7. Mai keine Entscheidung über die Besetzung der vakanten Ämter - fünf Ministerposten und zwei Vizeminister-Posten - gibt.

Das Verteidigungsressort will der Premier jedenfalls selbst interimistisch übernehmen, das heiß begehrte Ölministerium soll vorübergehend von dem früheren Exilpolitiker Ahmed Chalabi geleitet werden. Der von den USA dereinst hofierte und später in Ungnade gefallene Gründer des Irakischen Nationalkongresses feiert damit sein großes politisches Comeback. Der Schiite wird zudem einer der drei Stellvertreter Jaafaris (Dewa-Partei).

Offen ist weiters die Leitung der Ressorts Elektrizität, Industrie sowie Menschenrechte. Das Innenministerium geht an Basan Baqer Sulagh, Vertreter der zweitgrößten Schiitenpartei SCIRI-Partei, derer religiöser Führer Ajatollah al-Sistani ist. Außenminister bleibt der 52-jährige Kurdenpolitiker Hoschiar Sebari. Er hatte den Posten schon während der jetzigen Übergangsregierung inne.

Die künftige Regierung umfasst 36 Mitglieder - 32 Minister und vier Staatsminister. Die Sunniten erhalten 17, die Kurden acht Ministerposten. Auch sechst Frauen wird es geben. Sechs Minister sollen die Sunniten stellen - ein Zugeständnis, durch das sich der Regierungschef eine Beruhigung der Sicherheitslage erhofft. Diese Religionsgemeinschaft, aus deren Reihen sich die Aufständischen rekrutieren, hatte die Parlamentswahl Ende Jänner weitgehend boykottiert und ist daher gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil von 20 Prozent im Parlament unterrepräsentiert.

Umso mehr machen sich die Widerstandsgruppen durch Anschläge bemerkbar. Am Mittwoch hatten sie erstmals eine schiitische Abgeordnete des Übergangsparlaments ermordet, gestern wurde unter anderen ein Geheimdienstoffizier Opfer der Gewalt. Die US-Regierung musste erstmals einräumen, dass der Irak, unter Saddam Hussein einst ein Bollwerk gegen den Islamismus, nach dem Einmarsch der Amerikaner zum neuen Zentrum des weltweiten Terrorismus wurde - 50 bis 60 Mal täglich geht dort mittlerweile ein Sprengsatz hoch.