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Irak-Einsatz wird langfristig

Von Peter Wütherich

Politik

Präsident hinterlässt vergiftetes Erbe. | Wütende Reaktion der Demokraten. | Washington. (afp) Der Präsident regelt seinen politischen Nachlass. Die Zeit drängt, schließlich bleiben George W. Bush nur noch 16 Monate im Weißen Haus. Doch was er dem nächsten Präsidenten hinterlässt, ist ein vergiftetes Erbe: Den Krieg im Irak, den er selbst vom Zaun gebrochen hat, will Bush nicht selbst beenden. In einer Fernsehansprache zur besten Sendezeit stellte Bush am Donnerstagabend die Weichen, um den unpopulären Einsatz über das Ende seiner Amtszeit hinaus fortzuführen.


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Dann wird der Nachfolger oder die Nachfolgerin die Truppen heimholen müssen, ohne als Verlierer dazustehen. Eine schwere Bürde, denn ein siegreiches Ende im Irak ist nicht in Sicht.

Nicht einmal der Präsident spricht noch von Sieg. Bush redete bescheiden von "Erfolgen", als er der Nation in seiner Ansprache aus dem Oval Office im Weißen Haus seinen Kurs erläuterte. Fast 18 Minuten nahm er sich dafür. Bush bestritt den Auftritt mit der Unbeirrbarkeit eines Politikers, der nicht mehr viel zu verlieren hat. Er weiß, dass zwei Drittel der US-Bürger den Irak-Einsatz laut Umfragen für einen Fehler halten. Diese Kriegsgegner irritierte Bush mit einem kleinen Zugeständnis und einer großen Provokation.

Das Zugeständnis: Bis Sommer soll die Zahl der Soldaten um einige zehntausend auf etwa 130.000 sinken, indem heimkehrende Verbände nicht ersetzt werden. Hier fügt sich Bush schlichtweg dem Unvermeidlichen, denn die US-Armee könnte die gegenwärtige Stärke von 168.000 wegen Personalmangels ohnehin nicht halten.

Die Provokation: Bush verkündet eine unbegrenzte Fortführung des Einsatzes und skizziert eine Art langfristigen Pakt mit dem Irak, der das Erbe seiner Politik wahren soll. Bush argumentiert nicht mit politischer Zweckmäßigkeit, sondern wertet seinen Kurs als "moralische und strategische Verpflichtung".

Eindruck des Scheiterns soll vermieden werden

Fast wirkte es wie eine Drohung an den Nachfolger, der das ungeliebte Erbe nicht wird ausschlagen können: Der Aufbau des Iraks erfordere ein "Engagement der USA in Politik, Wirtschaft und Sicherheit, das über meine Amtszeit hinausreichen wird", sagte Bush, der im Jänner 2009 aus dem Amt scheidet. Er berief sich etwas undeutlich auf "irakische Führer aus allen Bevölkerungsgruppen", die "eine dauerhafte Beziehung zu den USA" wünschten. "Wir sind bereit, diese Beziehung aufzubauen."

Politische Beobachter in Washington deuten Bushs Kursbestimmung als Versuch, dem Stigma des Kriegsverlierers zu entgehen. "Er hält es für besser, das Problem an den nächsten Präsidenten weiterzureichen als selbst die Verantwortung für den Rückzug zu übernehmen, weil dies in gewissem Maße ein Eingeständnis des Scheiterns wäre", sagt Charles Kupchan vom einflussreichen Council on Foreign Relations.

Leidtragende könnten die gegnerischen Demokraten sein, die Bushs Krieg nicht wollen, ihn nach einem Wahlsieg aber zu Ende führen müssten. Der demokratische Senator Jack Reed hält dem Präsidenten vor, den Weg für eine "endlose und unbegrenzte militärische Präsenz" im Irak zu bereiten. "Erneut hat der Präsident weder einen Plan zur erfolgreichen Beendigung noch einen überzeugenden Grund für seine Fortsetzung geliefert." Wohl erst in den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob die Republikaner, unter deren Vertretern es nicht wenige Irak-Skeptiker gibt, ihrem Präsidenten noch folgen.

Die Anwärter auf Bushs Nachfolge können sich jedenfalls auf ein schweres Erbe einstellen. Die Senatoren Hillary Clinton und Barack Obama, die Favoriten unter den Demokraten, kritisierten Bushs Rede postwendend. "Ich werde den Präsidenten weiter drängen, den Kurs zu ändern und unsere Truppen schneller heimzuholen", sagte Clinton. Der republikanische Senator und Präsidentschaftsanwärter John McCain beklagte hingegen, die Demokraten nähmen zu wenig zur Kenntnis, "wieviel Erfolg wir in einer relativ kurzen Zeitspanne erreicht haben nach vier Jahren des Versagens unter der Strategie von (dem damaligen Verteidigungsminister Donald) Rumsfeld, die ein Desaster war."

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