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Irak gegen Transkaukasien

Von Markus Rapp

Politik

Moskau/Tiflis - Russland hat die Welt von einer möglichen Militärintervention in Georgien unterrichtet und Tiflis zugleich ein Ultimatum gestellt, sollten sich tschetschenische "Terroristen" weiter dorthin zurückziehen können. Die Drohung ist nicht neu, aber unter dem Aspekt ultimativer US-Drohungen gegen den Irak zielt sie in eine neue Richtung: Es geht letztlich um eine Festlegung von Einfluss-Sphären.


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Falls von georgischem Staatsgebiet aus "weiter kriminelle Übergriffe stattfinden, unternimmt Russland in strikter Übereinstimmung mit internationalem Recht angemessene Schritte zur Abwehr der terroristischen Bedrohung", schrieb Präsident Wladimir Putin nach Kreml-Angaben vom Donnerstag an die UNO und die OSZE.

Innenminister Boris Gryslow erklärte: "Wir sind verpflichtet, Überfälle der Banditen auf russisches Territorium zu unterbinden und auch dann gegen diese Banditen vorzugehen, wenn sie sich auf georgischem Territorium befinden". Was zeitweilig wie ein Hahnenkampf zwischen Putin und dem georgischen Staatschef Edward Schewardnadse aussah - das Tauziehen um die Auslieferung einiger ins georgische Pankisi-Tal entkommener Tschetschenen-Rebellen -, bekommt am Vorabend des angekündigten Irak-Kriegs einen neuen Charakter. Dabei sitzen die Adressaten von Putins Drohung nicht nur in Tiflis, sondern auch in Washington.

"Russland tauscht den Irak gegen Georgien",

analysierte der "Kommersant". Der Kreml habe eingesehen, dass er die USA nicht von einem Schlag gegen den Irak abhalten könne. Deshalb versuche Moskau, aus dem befürchteten Scheitern seiner pro-irakischen Politik wenigstens minimales Kapital zu schlagen: Freie Hand für ein Durchgreifen in Georgien. Das wäre auch innenpolitisch ein Erfolg.

Nachdem Putin sich im Herbst 2001 bereitwillig in die von Amerika geführte Anti-Terror-Allianz eingefügt hatte, waren in Washington die Kommentare zum fortwütenden Tschetschenien-Krieg verstummt. Wieder aufgelebt sind sie erst diesen August, als Russland "inoffizielle" Luftangriffe aufs Pankisi-Tal flog. Nun hat Putin US-Präsident George W. Bush energisch daran erinnert, dass es für Unterstützung - oder den Verzicht auf ein Veto - einen Preis zu zahlen gilt.

Die an Georgien ergangene Drohung ist darum Warnung an Washington - und Vorschlag zugleich. Durch die demonstrative - ironische - Parallelisierung mit dem amerikanischen Anti-Terror-Krieg wird der Verbleib in der Allianz angedeutet, allerdings zu gewissen Bedingungen. Moskau muss, so Beobachter, das kaspische Ölgeschäft mit den USA zwar teilen, möchte aber auch einen Pflock einschlagen, sollte der Irak denn definitiv amerikanisch werden: Bis hierher und nicht weiter.