Kommandierender der US-Truppen vor dem Kongress. | Der Abzug wird noch aufgeschoben. | Washington. (dpa) Seit Montag müssen US-Oberkommandierende im Irak, General David Petraeus, und US-Botschafter Ryan Crocker in beiden Häusern des Kongresses zwei Tage lang Rede und Antwort stehen, welche Erfolge und welchen Nutzen der Einsatz von zusätzlichen 30.000 Soldaten im Irak gebracht hat. Danach werde Washington ein "politisches Feuerwerk" erleben, sagt das konservative "Wall Street Journal" voraus.
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Eins ist klar: Kriegsgegner und -befürworter werden in dem Bericht genug Munition finden, um ihren politischen Schlagabtausch fortzusetzen.
Petraeus will heuer keine Soldaten abziehen, wie es die oppositionellen Demokraten fordern. Er will vielmehr die Truppenstärke mindestens bis zum nächsten Frühjahr beibehalten - allenfalls die Heimkehr eines kleines Kontingents, einer Brigade von 3.500 bis 4.500 Mann, bis Anfang 2008, ist angedacht.
Diese Geste des guten Willens leitet aber noch keinen Truppenabzug in größerem Maßstab ein. Möglicherweise soll im August 2008 die Truppenstärke auf das Maß reduziert sein, die sie vor der im heurigen Jänner verkündeten Truppenaufstockung hatte. Aber mit präzisen Angaben hält sich Petraeus noch zurück - weil die Lage im Irak im Fluss sei. Man will wohl auch Zeit gewinnen, weil man noch immer auf die versprochenen politischen Fortschritte wartet. Die bereits mehrfach mündlich geäußerte Frustration von Petraeus und Crocker darüber wird im Bericht schriftlich festgehalten.
In der Zwickmühle
Die demokratische Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses kann US-Präsident George W. Bush nicht per Gesetz zum Abzug zwingen. Dazu fehlen ihr die notwendigen Stimmen im Senat. Bush kann - wie er es bereits getan hat - jeden Gesetzentwurf, der von den Demokraten mit einem Abzugsdatum verknüpft wird, mit seinem Veto verhindern. Derzeit erscheint es völlig unmöglich, dass die Demokraten eine Zwei-Drittel-Mehrheit unter den 100 Senatoren mobilisieren können, um dieses Veto zu überstimmen.
Wegen der fehlenden Stimmen sind führende demokratische Senatoren laut Informationen der US-Tageszeitungen jetzt bereit, ihre bisherige Forderung nach einem Abzug der amerikanischen Truppen bis Ende April 2008 aufzugeben.
Die politisch nicht durchsetzbare Forderung soll durch eine nicht verbindliche Absichtserklärung ersetzt werden. Ziel der Demokraten ist es den Angaben zufolge, auf moderate republikanische Senatoren zuzugehen und diese für den Beginn eines Truppenabzugs noch in diesem Jahr zu gewinnen.
Die innenpolitischen Auswirkungen des neuen Irak-Berichts reichen weit über den Kongress hinaus. Der Irak-Krieg ist eines der heißesten Wahlkampfthemen vor der Präsidentschaftswahl 2008. Bei diesem Wahlgang stehen im November 2008 nicht nur das Präsidentenamt, sondern auch die Mehrheiten im US-Kongress auf dem Spiel. Beispielsweise müssen sich 22 republikanische und elf demokratische Senatoren der Wahl stellen. Nach einer Reihe von Skandalen, aber vor allem auch wegen der Probleme im Irak hatten Bushs Republikaner bereits bei den Teilwahlen vom November 2006 ihre Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses verloren.
Auf jeden Fall bietet der neue Irak-Bericht reichlich Munition für beide Lager. Führende Demokraten wie die Senatorin Hillary Clinton, die sich um die Präsidentschaft bewirbt, argumentieren, dass es zu wenig politische Fortschritte im Irak gebe und dass sich die irakische Führung nur mit Druck wie Zieldaten und Auflagen bewege. Andere Demokraten wollen die Truppen sofort zurückholen.
Vorbild Anbar?
Dagegen geht es aus Sicht der US-Regierung bei allen Schwierigkeiten im Irak aufwärts. Die frühere westirakische Unruheprovinz Anbar, das ehemals heißeste Pflaster für US-Soldaten im Irak, dient dem Weißen Haus als Kronzeugin. In Anbar kämpfen heute US-Soldaten gemeinsam mit den dortigen Stämmen gegen Anhänger des Terrornetzwerkes Al-Kaida. Dafür erhalten die Stammesführer laut US-Medienberichten Wirtschaftshilfe aus Washington.
Bush argumentiert, dass Erfolge selbst in aussichtslosen Fällen wie in Anbar möglich sind. Allerdings erwähnt er nicht, dass diese Provinz nicht als Blaupause für die Befriedung anderer Provinzen taugt. In Anbar leben überwiegend Sunniten. Es gibt dort weniger Spannungsherde als in Provinzen mit großen Anteilen der verfeindeten Religionsgruppen, der Sunniten und Schiiten.
Die politischen Ziele
In der Debatte des US-Kongresses gelten politische Reformen als Basis für einen Erfolg des US-Militäreinsatzes. Im folgenden einige Informationen zu den Zielen, an denen die Entwicklung gemessen wird:
Gerechtere Verteilung der Öleinnahmen unter den Regionen sowie Religions- und Volksgruppen: Das Gesetz ist vom Kabinett verabschiedet worden, das Parlament hat die Debatte noch nicht begonnen.
Ent-Baathifizierung : Die fünf politischen Spitzenvertreter des Iraks haben am 26. August einen Gesetzentwurf vereinbart, der den ehemaligen Mitgliedern der vom früheren Diktator Saddam Hussein geführten Baath-Partei eine Rückkehr in Ämter und Behörden erlauben soll. Die Debatte im Parlament ist noch nicht eröffnet.
Wahlen in den Provinzen: Der Termin steht noch immer nicht fest. Die Sunniten sind in den Provinzparlamenten unterrepräsentiert, weil sie die Wahlen im Jänner 2005 boykottiert haben.
Verfassungsreformen: Der zuständige Ausschuss des Parlaments hat sich in den entscheidenden Punkten nicht geeinigt. Er sollte bis September einen neuen Anlauf nehmen, ohne dass sich bisher ein Erfolg abgezeichnet hat.
Parlamentsarbeit: Zwei wichtige Gruppierungen - die Anhänger des radikalen schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr und der größte sunnitische Block - blockieren das Parlament seit Wochen.
Kabinett: Von den 37 Ministerposten ist mehr als ein Dutzend vakant. Ministerpräsident Nouri al-Maliki regiert mit einem Rumpfkabinett, das dem Ziel "Regierung der nationalen Einheit" seit Wochen nicht mehr gerecht wird.