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Welle der Gewalt und interne Grabenkämpfe setzen Demokratie zu.
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Bagdad. Für die nächsten Tage wird der Irak stillstehen. Ausgangssperren wurden verhängt, die meisten Städte sind hermetisch abgeriegelt, zahlreiche bunte Plakate werden sich einsam im Wind drehen. Grund dafür sind die ersten Wahlen im Irak seit dem Abzug der US-amerikanischen Truppen 2011: Am Samstag entscheiden die Iraker über die Besetzung der Regionalparlamente in 12 von 18 Provinzen des Landes.
Neben der lokalen Bedeutung geht es vor allem um die Frage, ob der amtierende Premierminister, der Schiit Nuri al-Maliki, sich im Sattel halten kann oder sich die Erosion seines Regimes fortsetzt. Der Premier liegt nicht nur mit den Kurden im Norden wegen Gebiets- und Ölstreitigkeiten im Clinch. Seit Dezember hat er auch mit andauernden Protestkundgebungen zu kämpfen, nachdem von der Justiz Ermittlungen wegen angeblicher Terroraktivitäten sunnitischer Politiker eingeleitet wurden. Nicht zuletzt wird der Wahlgang auch ein Test sein, ob die Regierung in der Lage ist, demokratische Wahlen frei und fair durchzuführen.
Bereits im Vorfeld der Wahlen wurde der Irak mit Anschlägen überzogen. Nach täglichen Angriffen in dieser Woche haben auch am Freitag wieder Terroristen während des Freitagsgebetes Moscheen verschiedener Richtungen des Islam angegriffen. Insgesamt starben acht Gläubige, 32 Menschen wurden verletzt. Während des Wahlkampfs wurden 14 Kandidaten ermordet. Auch für den Wahltag haben Extremistengruppen Anschläge angekündigt.
Vertrauen in politische Lösungsfähigkeit schwindet
Die Iraker sind aber hart im Nehmen. "Ich denke nicht, dass die Iraker Angst davor haben, zu den Wahlen zu gehen", sagt Maria Fantappie, Irak-Expertin der International Crisis Group mit Sitz in Bagdad im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Sicherheitslage hätte sich bereits seit mehr als einem Monat verschlechtert, nicht erst seit letzter Woche. Natürlich wäre die Gewaltwelle darauf ausgerichtet, ein Gefühl der Instabilität zu kreieren. Dieses hätte aber noch nicht das Level erreicht, dass die Menschen nicht wählen gehen würden. "Wir haben nicht die gleiche Situation wie 2005 mit weitverbreiteter, zielloser Gewalt", sagt Fantappie. Die Anschläge der letzten Wochen wären auf sehr bestimmte Orte und sehr spezielle Personen gerichtet gewesen sein. Wenn manche Iraker am Samstag nicht wählen, dann sei der Grund dafür vielmehr darin zu suchen, dass sie das Vertrauen in den politischen Prozess verloren hätten und der politischen Führung nicht zutrauen, das Land aus der Dauerkrise zu führen.
In der Tat hat die politische Führung mehr Energie auf interne Grabenkämpfe verwendet als auf konstruktive Politik. Viele Iraker sind enttäuscht, dass sich die politischen Parteien nicht einmal während des Wahlkampfes für die alltäglichen Probleme der Menschen interessieren und keine wichtigen lokalpolitischen Agenden aufs Tapet bringen.
Als Gewinner der jetzigen Patt-Situation im Land, in die vor allem die großen, sektiererischen Parteien verwickelt sind, die seit Jahren die irakische Politik dominieren, könnte eine neue Allianz von säkularen Parteien hervorgehen. Diese hat sich speziell für die Regionalwahlen zusammengeschlossen. In den bisherigen Wahlen seit dem Sturz des Diktators Saddam Husseins - den Parlamentswahlen 2005 und 2010 sowie den Regionalwahlen 2009 - konnten sich liberale und säkulare Parteien noch nicht durchsetzen. Genaue Prognosen für den Ausgang traut sich aber kein Experte abzugeben.