Talabani ist bedeutendster Vermittler zwischen den Volksgruppen des Landes.
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Bagdad. Der irakische Präsident Jalal Talabani erlitt Montagnacht einen Schlaganfall. Laut Agenturberichten sei er infolge ins Koma gefallen. Zuvor war er als Notfall in ein Spital in Bagdad eingeliefert worden. Der Zustand des 79-Jährigen sei kritisch, aber stabil, hieß es in einer Erklärung des Präsidentenbüros. Man überlege, ihn zur weiteren Behandlung ins Ausland zu verlegen.
Talabani, der erste kurdische Präsident des Irak und seit 2005 im Amt, hat bereits seit einigen Jahren gesundheitliche Probleme. Im vergangenen Sommer hatte sich der Politiker in Deutschland ärztlich behandeln lassen.
Das Präsidentenamt ist im Irak ein großteils repräsentativer Posten. In zwei Fällen schreibt die Verfassung jedoch Macht für den Amtsinhaber fest: Einerseits muss er alle vom Parlament angenommen Gesetze unterzeichnen. Andererseits hat er die Möglichkeit, Hinrichtungen zu stoppen. Talabani nutzte beide Instrumente immer wieder, um bei Streitigkeiten zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden zu schlichten. Dadurch sei der Präsident "ein über alle Grenzen und Konfessionen höchst angesehener und geschätzter Politiker", sagte Andreas Fellinger von der Vertretung der Regionalregierung Kurdistan-Irak in Österreich zur "Wiener Zeitung".
Für den Irak ist der schlechte Gesundheitszustand Talabanis somit ein harter Schlag. Oft wurden innenpolitische Pattsituationen geduldet und die Streitthemen auf Eis gelegt, bis der Präsident von seinen medizinischen Behandlungen im Ausland zurückgekehrt war. Wer diese Schlüsselposition nach ihm einnehmen könnte, ist weithin unklar.
Gemäß irakischer Verfassung muss das Parlament, sollte der Posten des Präsidenten frei werden, einen neuen wählen. Nach dem in der irakischen Verfassung verankerten Machtteilungs-Abkommen ist der Präsident des Landes immer Kurde, und je ein Stellvertreter sunnitischer und einer schiitischer Muslim.
Erst am Montag traf Talabani den Premierminister Nuri al-Maliki, um weiter zwischen der Kurdischen Regionalregierung und der Zentralregierung in Bagdad zu vermitteln - Streitthemen sind die interne Grenzziehung sowie Rechte an Ölfeldern. Beide - auch der autonome Norden verfügt über Streitkräfte - hatten zuletzt sogar Truppen in den umstrittenen Gebieten aufmarschieren lassen und damit Ängste vor internen Kämpfen geschürt. Talabani vermittelte letzte Woche einen Deal, der beide Seiten aufruft, ihre Streitkräfte zurückzuziehen - wenn auch noch ohne Zeitplan.