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Bagdad. Die USA wollen nach Angaben eines Militärvertreters in den kommenden Monaten die Kontrolle einzelner irakischer Provinzen an die einheimische Polizei übertragen. Die schiitischen Pilgerstädte Najaf und Kerbala könnten innerhalb von drei Monaten vollständig unter der Aufsicht irakischer Sicherheitskräfte stehen, sagte der US-Militärangehörige, der namentlich nicht genannt werden wollte. Bagdad und Babil könnten im Dezember folgen. Der iranische Außenminister Manouchehr Mottaki hat am Samstag die höchste theologische Autorität der Schiiten im Irak, Großayatollah Ali al-Sistani, in Najaf besucht.
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Die Aussagen des US-Militärvertreters folgten auf die Bekanntgabe konkreter Teilabzugspläne Italiens und Großbritanniens. Wie angespannt die Sicherheitslage im Irak ist, machten unterdessen mehrere Anschläge am Wochenende deutlich. Bei zwei Bombenexplosionen auf einer Straße in Bagdad kamen am Sonntag mindestens drei Menschen ums Leben, 22 weitere wurden verletzt. Nahe Bakuba warfen Bewaffnete drei Köpfe von enthaupteten Opfern aus ihrem Auto, als sie durch ein Dorf fuhren. Bei einem Anschlag auf Soldaten der irakischen Armee nahe der Ortschaft Dujail ist am Sonntag der Sohn eines Mitangeklagten im Prozess gegen Ex-Präsident Saddam Hussein getötet worden. Ein US-Militärhubschrauber vom Typ AH-1 Cobra ist am Samstag in der Provinz Al-Anbar abgestürzt. Nach den beiden Besatzungsmitgliedern wurde gesucht, der Absturz sei wahrscheinlich nicht auf einen feindlichen Beschuss zurückzuführen, hieß es.
Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki hatte am Mittwoch erklärt, dass Polizei und Armee bis Dezember selbst für Sicherheit in einem Großteil des Landes sorgen könnten. Die übrigen Landesteile könnten im kommenden Jahr wieder unter die Kontrolle der irakischen Sicherheitskräfte fallen. Allerdings seien weitere Rekruten, mehr Ausbildung und mehr Ausrüstung notwendig. Großbritannien plant, im kommenden Monat mindestens eine der vier von britischen Einheiten kontrollierten südlichen Provinzen irakischen Sicherheitskräften zu unterstellen. Seit Beginn des Irak-Krieges vor drei Jahren sind nach BBC-Angaben mindestens tausend britische Soldaten desertiert. Allein im vergangenen Jahr seien 377 Soldaten desertiert und gälten als vermisst, in diesem Jahr seien es bereits 189, berichtete der Sender am Sonntag auf seiner Internetseite. Er berief sich auf den Labour-Abgeordneten John McDonnell. Das britische Verteidigungsministerium wies den Bericht zurück.
Die USA und Großbritannien haben es zur Bedingung für den Abzug ihrer 140.000 Soldaten gemacht, dass die neue irakische Regierung selbst für Ruhe im Land sorgen kann. Einen konkreten Zeitplan hat US-Präsident George W. Bush nicht vorgelegt. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass noch über Jahre ausländische Truppen im Irak stationiert sein werden.
Italien wird nach den Worten von Außenminister und Vizepremier Massimo D'Alema noch im Juni sein Truppenkontingent von etwa 2700 Soldaten auf 1600 verringern. "Ende dieses Jahres wird unsere militärische Präsenz im Irak beendet sein", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Der Abzug werde mit der neuen demokratischen Regierung des Irak und mit den USA abgestimmt.
Der iranische Außenminister Mottaki dankte dem Großayatollah Sistani für dessen Einsatz für die Einheit des Irak. Anschließend besuchte Mottaki die den Schiiten heilige Stadt Kerbala. Sistani fungiert als oberster Lenker und Schiedsrichter der "Vereinigten Allianz" der konservativ-religiösen Schiiten, die die größte Fraktion im irakischen Parlament stellen. Stärkste Gruppe innerhalb des Bündnisses ist der pro-iranische "Oberste Rat für die Islamische Revolution im Irak" (SCIRI). Sunnitische Politiker beschuldigen Teheran, schiitische Milizen zu steuern. Sie verdächtigen den Iran, zum Zerfall des Irak beitragen zu wollen, um die Kontrolle über dessen mehrheitlich von Schiiten bewohnte Ölförderregionen im Süden zu erlangen. Nach einem Anschlag auf die Goldene Moschee von Samarra nördlich von Bagdad, eines der vier wichtigsten schiitischen Heiligtümer im Irak, war es zu zahlreichen Morden an Sunniten gekommen.