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Iran bietet sich als Gaslieferant an

Von Thomas Seifert

Politik
Rohanis Stabschef Nahavandian setzt auf ein baldiges Ende der Sanktionen und auf wirtschaftliche Entwicklung im Iran.
© Thomas Seifert

Der Stabschef des iranischen Präsidenten Rohani hofft auf die Wiederauferstehung der einst begrabenen Nabucco-Pipeline.


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"Wiener Zeitung": Wie laufen die Atom-Verhandlungen zwischen dem Iran und den Verhandlungspartnern USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich plus Deutschland unter der Führung der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton aus ihrer Sicht?

Mohammad Nahavandian: Alle Anzeichen deuten in eine sehr positive Richtung, allerdings wissen wir aufgrund der Probleme der Vergangenheit, dass das kein Spaziergang ist. Aber: Die Atmosphäre ist sehr gut und läuft auf Basis einer Win-win-Situation, die alle Seiten herstellen wollen. Beide Seiten müssen am Schluss in der Lage sein, einem Kompromiss zuzustimmen: Die Rechte des Iran auf die friedliche Nutzung der Kernenergie müssen gewahrt sein - aber es muss auch Verständnis für die Bedenken der anderen Seite geben. Darum haben wir klargestellt, dass wir höchste Transparenz bei unserem Nuklearprogramm bieten wollen. Wir haben zudem stets betont, dass aus ethischen und religiösen Gründen die militärische Nutzung des nuklearen Programms keinen Platz in unseren Überlegungen hat.

Es mag zwar US-Präsident Barack Obama einen Atom-Kompromiss wollen, aber es gibt Kräfte im US-Kongress, die dagegen opponieren. Dasselbe gilt auch für den Iran: Auch in Ihrem Land gibt es mächtige Eliten, die gegen einen Nuklear-Deal sind.

Das ist nichts Neues. Es gibt doch immer und überall Kräfte, die Konflikte lösen wollen und es gibt andererseits jene, die von Kriegen, Konflikten und problematischen Beziehungen zwischen einzelnen Mächten profitieren.

Eines der Probleme bei den Nuklearverhandlungen war stets das Timing. Zuerst wollte Irans Präsident Mohammed Chatami, aber US-Präsident George W. Bush war nicht interessiert. Sein Nachfolger Barack Obama sehr wohl, nur hatte er Präsident Mahmoud Ahmadinejad als gegenüber, der kein Interesse an einem Deal hatte. Die Frage lautet daher: Ist Präsident Hassan Rohani interessiert?

Rohani ist interessiert, er hat vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen sein "Wave"-Konzept - world against violence and extremism, eine Welt gegen Gewalt und Extremismus - vorgestellt. In der Nuklearfrage ist Misstrauen und ein falsches Verständnis von der anderen Seite das größte Problem.

Gibt es Überlegungen, einen Grand Bargain anzustreben, also gleich alle Probleme, die der Iran mit dem Westen hat, anzugehen?

Im Moment geht es nur um die Nuklearfrage. Aber: Wenn man ein Problem lösen kann, wird natürlich die Chance größer, dass auch die anderen Fragen gelöst werden können. Es ist aber klar geworden, dass Iran eine signifikante Rolle in der Region spielt. Die Politik, Iran zu ignorieren, hat sich für die USA als sehr ungeschickt erwiesen. Die Europäer hatten stets ein realistischeres Bild. Sie haben verstanden, dass eine Zusammenarbeit mit dem Iran bei der Lösung regionaler Probleme äußerst hilfreich sein kann.

Einige Analysten sehen im Krieg in Syrien einen Stellvertreterkrieg zwischen einigen Ländern des Westens und den arabischen Golf-Staaten einerseits und dem Iran andererseits. Was halten Sie von dieser These uns welche Lösung gibt es aus Sicht des Iran für ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien?

Syrien ist eine Tragödie. Heute haben wir dort Ansammlung von terroristischen Gruppen, die aus aller Welt nach Syrien kommen und dort Chaos säen. Was machen diese Terroristen, wenn der Krieg endet? Sie gehen zurückgehen ihre Herkunftsländer und Sie können sich vorstellen, welche Probleme die Regierungen dann mit solchen Menschen haben.

Die Entscheidung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, bald Wahlen durchzuführen, ist für eine friedliche Lösung nicht gerade hilfreich.

Ich überlasse die Antwort auf diese Frage lieber den Syrien-Experten.

Welche Erwartungen hat Iran im Falle eines positiven Abschlusses der Atom-Gespräche?

Unser Handelsvolumen ist in den Jahren seit dem Krieg mit dem Irak stets gewachsen - bis auf die vergangenen zwei Jahre. Die Sanktionen konnten also das Wachstum der iranischen Wirtschaft nicht abwürgen. Das zeigt das Potenzial und die Widerstandskraft der iranischen Wirtschaft und wir fragen uns, was erst passieren wird, wenn diese Sanktionen verschwinden. Dieser diese Aussicht hat die Hoffnung vieler Handelspartner des Iran beflügelt. Der Iran ist einer der vielversprechenden Wachstumsmärkte für die nächsten Jahrzehnte. Wenn man das Öl- und Gaspotenzial zusammennimmt, dann ist der Iran weltweit die Nummer eins. Wir haben Bodenschätze und Humankapital. Gerade wegen der Krise in der Ukraine begreifen die Europäer mehr als jemals zuvor, dass die Frage der Energie-Sicherheit von eminenter Bedeutung für den Kontinent ist. Iran kann ein wichtiger Partner für Europa in Energiefragen sein. Das auch von Österreich betriebene Nabucco-Projekt könnte iranisches Gas ins Herz Europas bringen. Bisher haben politische Hürden dieses Projekt verhindert. Wenn man aber die politischen Bedenken aus dem Weg räumen kann, dann werden die wirtschaftlichen Faktoren wichtiger.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz war kürzlich im Iran und hat dort auch die Wichtigkeit eines Menschenrechtsdialogs angesprochen. Ist der Iran dazu bereit?

Wir erachten Menschenrechte als Teil eines Regierungsprogramms. Wir wir sprechen auch gern mit unseren Partnern über dieses Thema. Allerdings geht es uns bei unseren Beziehungen um eine Diskussion auf Augenhöhe. Ein Gespräch auf Augenhöhe ist auch eine Garantie für Fairness. Wenn eine Seite auf die andere Seite herabblickt, dann bekommt man kein gutes Resultat.

Mohammad Nahavandian war Chef der iranischen Handelskammer für Industrie, Bergbau und Landwirtschaft und ist nun als Stabschef in der Regierung von Präsident Hassan Rohani tätig. Als solcher vertritt er Rohani bei Absenzen und hat auch erheblichen Einfluss auf die Außenpolitik des Landes.