Würden sich die Schweizer wirklich Sorgen um ein Vordringen des radikalen Islam machen, hätten sie wahrlich kein Volksbegehren gegen Minarett-Bauten zu veranstalten brauchen. Von den Milliardenbeträgen arabisch-islamischer Autokraten einmal abgesehen, die auf Schweizer Banken liegen und deren Beschlagnahmung noch kein SVP-Politiker gefordert hat, müsste eine sinnvolle Kritik der islamischen Erweckungsbewegung sich gegen die hemmungslose Kollaboration der Schweizer Politik und Wirtschaft mit der "Islamischen Republik" im Iran wenden.
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Im April empfing Bundespräsident Hans-Rudolf Merz Mahmoud Ahmadinejad in Genf, und die Schweizer Vertreter blieben während dessen Hetzrede bei der UNO-Konferenz gegen Rassismus als willige Zuhörer im Saal sitzen. Seit 2003 führt die Regierung in Bern einen "Menschenrechtsdialog" mit dem Iran, um den hervorragenden Wirtschaftskontakten einen humanitären Anstrich zu verleihen, was ihr bisher allerdings nicht einmal in der Schweiz selbst gelingt. 2008 wurden Waren im Wert von 846 Millionen Franken in den Iran exportiert: ein Anstieg von etwa 100 Millionen im Vergleich zum Vorjahr.
Zum bisher wichtigsten Geschäftsabschluss kam es im März 2008, als die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg ein Geschäft mit der National Iranian Gas Export Company im Wert von 20 Milliarden Franken unter Dach und Fach brachte, wodurch die Schweiz endgültig zu einem strategischen Partner der Diktatur aus Ajatollahs und Revolutionsgarden wird. Noch gibt es bei der Umsetzung des Vertrags offene Detailfragen, aber die Schweiz bemüht sich nach Kräften, diese zu klären: Staatssekretär Michael Ambühl reiste im Oktober in den Iran, um alle Probleme aus der Welt zu schaffen, woran auch die iranische Seite großes Interesse hat, schließlich bezeichnet sie den Deal als "einen unserer wichtigsten".
Dementsprechend fällt die Kritik am Minarett-Verbot für iranische Verhältnisse zurückhaltend aus. Die Botschafterin in Teheran wurde einbestellt, und in einem Telefonat zwischen guten Bekannten äußerste Außenminister Manoucher Mottaki gegenüber seiner Amtskollegin Micheline Calmy-Rey seinen Unmut und forderte, das Verbot nicht umzusetzen. Aber selbst diese vergleichsweise verhaltene Reaktion zeigt das Missverhältnis in den schweizerisch-iranischen Beziehungen. Legte Bern auch nur annähernd ähnliche Maßstäbe an die Beurteilung der Lage im Iran an, müsste dessen Botschafter mehrfach täglich einbestellt werden.
So sie denn wollte, könnte die Schweiz bei einer möglichen Sanktionspolitik gegenüber dem iranischen Regime eine entscheidende Rolle spielen. Der überwiegende Teil der vom Iran dringend benötigten Benzinlieferungen wird heute weltweit von nur vier Firmen zur Verfügung gestellt, drei davon befinden sich in der Schweiz: Vitol, Trafigura und Glencore. Aber die Schweizer diskutieren offensichtlich lieber über vier Minarette, als sich Gedanken über die fortgesetzte eidgenössische Unterstützung des Antisemiten-Regimes in Teheran zu machen.
Stephan Grigat ist Mitherausgeber von "Der Iran - Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer".