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US-Präsident Obama greift den Iran vor der UN-Vollversammlung frontal an.
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Teheran/New York. Seit Jahren sind die UNO-Auftritte von Irans Staatschef Mahmoud Ahmadinejad in New York unberechenbar. Kurz vor Beginn der diesjährigen Vollversammlung spöttelte er gegenüber Journalisten, dass Teheran auf einen Angriff Israels vorbereitet sei - auch wenn er die "zionistischen Drohungen" nicht ernst nehme.
Vor der UN-Vollversammlung richtete aber zunächst US-Präsident Barack Obama seine Worte gegen den Iran: Zwar suchten die USA immer noch eine friedliche Lösung für den Atomstreit. Aber die Zeit dafür "ist nicht unbegrenzt". Der Präsident machte unmissverständlich klar, dass die USA einen atomar bewaffneten Iran nicht akzeptieren würden.
Österreich werde weiter den Weg der Sanktionen gehen, um den Iran im Nuklearstreit zum Einlenken zu bewegen, sagte Österreichs Außenminister Michael Spindelegger im Anschluss an Obama. Jetzt "rote Linien" zu ziehen, die man sofort sanktionieren müsse, wenn sie überschritten werden, sei nicht einfach, erklärte Spindelegger aber in Anspielung auf Israels Premierminister Benjamin Netanyahu, der gefordert hatte, Teheran "rote Linien" aufzuzeigen, deren Überschreitung einen Militärschlag nach sich ziehen würde.

Der Schlagabtausch zwischen Iran und Israel geht also auf der Bühne der Vereinten Nationen in die nächste Runde. Als "Krisenfeuerwehr" im Konflikt schaltete sich UN-Generalsekretär Ban Ki-moon persönlich ein und wies bei einem Vorabtreffen mit Ahmadinejad vor den Gefahren einer sich hochschaukelnden Rhetorik hin.
Israel hat in den letzten Wochen bereits mehrfach gedroht, die iranischen Atomanlagen zu bombardieren. Tel Aviv behält sich das Recht auf eine solche Attacke vor, falls Sanktionen und diplomatische Vorstöße Teheran im Atomstreit rund um die umstrittene Urananreicherung nicht zum Einlenken bringen sollten.
Bisher hatte der Iran die Drohungen Israels als Bluff abgetan. Doch am vergangenen Wochenende wurde der Ton rauer. Der Chef der Luftstreitkräfte bei den Revolutionsgarden warnte für den Fall eines israelischen Angriffs auf sein Land vor einem "Dritten Weltkrieg". Sollte ein israelischer Angriff kurz bevorstehen, könnte der Iran einen "Präventivangriff" durchführen, sagte General Amir Ali Hajizadeh am Sonntag im Fernsehsender Al-Alam.
Thema bei der UN-Generalversammlung ist neben dem neuen Machtgefüge in Nahost auch der Syrien-Konflikt. Teheran hält nach wie vor zum syrischen Machthaber Bashar al-Assad.
Khamenei gießt Öl ins Feuer
Irans Oberster Führer, Ali Khamenei, zeigte Verständnis für die weltweite Wut der Muslime. Die offizielle Linie ließ offen, inwieweit dieser Aufschrei auch gewalttätig werden darf. Seit mehr als 33 Jahren übernimmt der Iran regelmäßig eine Vorreiterrolle, wenn der Dauerbrenner Islam durch ein punktuelles, meist die Gefühle der Muslime verletzendes Ereignis weltweit in die Schlagzeilen gerät. Besonders gut ersichtlich ist diese Strategie am Beispiel der Verschmähung des Propheten Mohammed.
Sofort setzt Teheran dann alle Hebel in Bewegung, um die Moslems weltweit gegen "die Bösen aus dem Westen", allen voran die USA und Israel, zu einen. Da spielt es auch keine Rolle, ob es sich um Sunniten oder Schiiten handelt. Da geht es ums Prinzip, da geht es ums Moslemsein an sich und um die "Rettung der Ehre der Muslime".
So geschehen sechseinhalb Jahre nach dem so genannten "Karikaturenstreit". Seit nunmehr zwei Wochen sorgt in der muslimischen Welt der Mohammed-Schmähfilm für neue Gewalt. Durch den Streifen "Die Unschuld der Muslime" ist eine neue Art des US-Hasses entstanden, die den Rhetorikern aus Teheran angesichts der wirtschaftlichen und politischen Isolation wegen des Atomprogramms und der damit in Zusammenhang stehenden Sanktionen nur recht sein kann.
Und der Hass wird täglich größer. In Afghanistan reißt ein Selbstmordattentäter als Vergeltungsakt neun Ausländer mit in den Tod, in Pakistan sterben ebenfalls einige Menschen im Zuge der Proteste. Ein pakistanischer Minister ruft gar zum Mord an den Macher des US-Films auf und will dafür 100.000 Dollar aus seiner eigenen Tasche berappen. Zusätzlich werden in muslimischen Staaten US-, aber auch europäische Vertretungen Zielscheibe von Attacken wütender Demonstranten. Tendenz der Gewaltbereitschaft steigend.
Eine Schlüsselrolle hinsichtlich der Koordination des Hasses gegen die USA nimmt der Libanon ein, wo Papst Benedikt XVI. anlässlich seines Besuchs erst vor Kurzem zu Frieden und Brüderlichkeit aufgerufen hatte.
Hisbollah-Chef auf Linie
Eben dort rief der geschwächte Chef der radikalislamischen Hisbollah, Scheich Hassan Nasrallah, vor zehntausenden Anhängern zu weiteren "mutigen" Protesten auf. "Dies ist der Beginn einer ernsthaften Bewegung, die zur Verteidigung des Propheten Gottes überall in der muslimischen Welt weitergehen muss", rief Nasrallah vor einer Woche unter dem Jubel der Menschenmenge im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut. "Solange es Blut in uns gibt, werden wir nicht über Beleidigungen gegen unseren Propheten schweigen."
Nasrallah nützte damit einen seiner seltenen öffentlichen Auftritte seit dem Krieg zwischen der Hisbollah und Israel 2006 aus Angst vor Attentaten, um zu mobilisieren. Den Auftrag dazu hat er von Irans mächtigem Führer Khamenei bekommen. Dieser wittert seine Chance, der ganzen - vor allem aber der muslimischen - Welt zu zeigen, dass das einzige Land, das in der Region keine Beziehungen "zum großen Satan" USA unterhält, nämlich der Iran, mit seiner Politik recht behielt. Khamenei und Nasrallah haben sich in den vergangenen Tagen mehrfach abgestimmt. Fazit: Die US-Präsenz hat nur Unheil und Unfrieden in die Region gebracht.
Dass auch die Al-Kaida, die nicht gerade iranfreundlich ist, auf den schiitischen Anti-US-Zug aufspringt und weltweit zu Anschlägen aufruft, bringt US-Präsident Obama, der nach der Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden das Ende der Terrororganisation als seinen Erfolg propagiert hatte, kurz vor seiner erhofften Wiederwahl in ein großes außenpolitisches Dilemma.