Analyse: Die Hisbollah als Teherans "Joker" im Bürgerkrieg.
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Teheran/Wien. Während die USA nach ihren misslungenen Experimenten im Irak und in Afghanistan zunehmend an Einfluss in der Region verloren haben, spielt die Führung in Teheran dort eine immer größere Rolle und ist auch bei der Syrienkrise der große Nutznießer. Der Nahe und Mittlere Osten ist nach wie vor ein Pulverfass, dessen Explosion jederzeit die Welt erschüttern könnte. Abgesehen von den instabilen Verhältnissen im Irak und in Afghanistan, wo weder Demokratie noch Stabilität, sondern fast tägliche blutige Anschläge den Alltag prägen, sind auch Libyen, Ägypten und Tunesien noch weit weg von einer geordneten, funktionierenden Regierung.
Der Fokus der Brandherde in der Region liegt in Syrien, wo sich seit März 2011 Regierungstruppen von Präsident Bashar al-Assad und die Rebellen Gefechte mit Hunderttausenden Toten und Verletzten liefern. Als die syrischen Regierungstruppen das Zentrum der Rebellenhochburg Homs vor wenigen Wochen zurückerobert hatten und strategisch wichtige Gebiete der Rebellen im Nordwesten des Landes besetzten, wurden sie durch mindestens 5000 Hisbollah-Kämpfer von Teheran aus unterstützt. Damit nicht genug: Auch Geld, Waffen und technisches Know-how wurde aus dem Iran geholt.
Mullahs wollen Assad
zum Sieg führen
Offiziell heißt es aus Regierungskreisen in Teheran, dass "Syrien durchaus in der Lage sei, sich selbst zu verteidigen", doch unter der Hand gibt man zu, dass der schiitische dominierte Iran größtes Interesse daran hat, Assad an der Macht zu halten, da Syrien sein einziger Verbündeter in der arabischen Welt ist. Der Assad-Clan gehört zur schiitischen Sekte der Alawiten, während rund 70 Prozent der Syrer Sunniten sind. Die Rebellen - in zahlreiche Gruppen zersplittert - werden von den sunnitisch regierten Golfstaaten unterstützt. Groteskerweise beschuldigen sich die Bürgerkriegsparteien gegenseitig, im Interesse Israels - "der Zionisten" - zu agieren.
Im Zeichen der "brüderlichen Verbindung" zwischen Damaskus und Teheran will die Hisbollah in den nächsten Wochen weitere Kämpfer aus dem Libanon und aus dem Irak nach Syrien schicken. Auch ein zweistelliger Millionenbetrag wurde vom Iran wieder an Syrien überwiesen. Letztere Hilfen sollen dem Assad-Regime eine endgültige Wende ermöglichen.
Überhaupt ist die Hisbollah Teherans Joker im Konflikt. Bereits seit Jänner ist die schiitische Miliz stärker in die Kämpfe involviert. Zunächst war ihr Einsatzgebiet auf die Grenzregion zum Libanon beschränkt, doch dann kam aus Teheran die Order, Assad zu einem Sieg zu verhelfen. Bisheriges Resultat des Bürgerkriegs in Syrien ist eine immer deutlicher werdende Spaltung des Landes. Die westlichen Regionen, die die wichtigen Zugänge zum Mittelmeer bieten und Schlüsselposten für die Versorgung sind, sind nun wieder fest in den Händen Assads. Kerngebiet der Rebellen ist ein Streifen, der sich in der nördlichen Landeshälfte von West nach Ost erstreckt. Dass ein US-Militärschlag gegen Assad jetzt wieder in weite Ferne gerückt zu sein scheint, spielt Teheran abermals in die Hände.
Der neue Präsident des Gottesstaates, Hassan Rohani, hat mit seiner neuen Tonwahl und seinen Ankündigungen, dem Westen die Hand zu reichen und eine neue außenpolitische Linie zu fahren, sehr viel wohlwollendes Echo im In- und Ausland erhalten. Ein direkter Briefwechsel mit US-Präsident Barack Obama und sein Glückwunsch an die Juden zu deren Neujahrsfest sind Teil dieser neuen Politik, die sich deutlich von jener seines Vorgängers Mahmoud Ahmadinejad abzugrenzen versucht.
Sogar den Atomstreit, der Teheran ungemütliche westliche Wirtschaftssanktionen beschert hat, machte Rohani zur Chefsache und ernannte seinen Außenminister Mohammad Javad Zarif zum Chefverhandler und bindet sich selbst auch sehr viel mehr direkt in die Verhandlungen ein. Mit der Ernennung des ehemaligen Außenministers Ali Akbar Salehi zum Chef der iranischen Atombehörde schließt sich ein Kreis, der ein deutliches Signal an die Welt sendet: Wir sind gewillt, unter dem Motto "Kooperation statt Konfrontation" Bewegung in die Dinge zu bringen.
Dass Rohani sich auch einen anderen syrischen Machthaber als Assad in Syrien vorstellen kann, ist das Sahnehäubchen "neuer" iranischer Rhetorik. Hinter den Kulissen geht die iranische Unterstützung aber ungemindert weiter.