Der saudi-arabische Außenminister über den Krieg in Syrien und den Dialog.
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"Wiener Zeitung": Sie sind nach Wien gekommen, um das
Internationale King Abdullah bin Abdulaziz-Zentrum für Interreligiösen und interkulturellen Dialog zu eröffnen, eine Initiative von Saudi-Arabien, Spanien und Österreich. Was sind Saudi-Arabiens Intentionen mit diesem Zentrum in Wien?
Saud bin Faisal: Frühere Dialogversuche scheiterten daran, dass über Dogmen diskutiert wurde und nicht über jene Dinge, die uns einen. Das wollen wir dort besser machen.
Es gab nicht nur in Österreich Kritik am Zentrum, sondern auch
in Saudi-Arabien, wo konservative Kräfte meinten, dass Muslime sich mit Juden, Christen, Hindus und Buddhisten besser nicht an einen Tisch setzen.
Das stimmt leider: In Wien meinen einige, dieses Zentrum würde den Wahhabismus in Österreich verbreiten. In Saudi-Arabien sagten manche, das Zentrum würde den Islam verändern wollen. Aber das sind Randmeinungen.
Es gibt Spannungen zwischen den islamischen Glaubensrichtungen der Schiiten und Sunniten. Dieser Konflikt vergiftet die Beziehungen zwischen Iran und den arabischen Ländern. Ist der Bürgerkrieg in Syrien nicht ein Stellvertreterkrieg, wo auf der einen Seite der Iran steht, der das Assad-Regime unterstützt, und auf der anderen Seite Länder wie Saudi-Arabien, Katar, die Türkei und der Westen, die die Opposition unterstützen?
Wir sehen unser Engagement in Syrien nicht vor dem Hintergrund einer Rivalität mit dem Iran, sondern als Hilfe für die unter der Gewalt des Regimes leidende syrische Bevölkerung. Und wir sehen auch, dass niemand sich bewegt, um die syrische Bevölkerung zu unterstützen, die einer gut bewaffneten Militär-Maschinerie gegenübersteht.
Die Iraner auf der anderen Seite haben die Situation in Syrien verschlimmert. Iran ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Der Iran versucht, in Kuwait Chaos zu säen, im Libanon bewaffnet Teheran die Hisbollah, die versucht, das Land zu spalten und die Macht in Beirut an sich zu reißen. In Saudi-Arabien wiederum rekrutieren die Iraner Agenten und versuchen das Land zu destabilisieren. Und der Iran verwendet die Palästinenserfrage als Vehikel, das es Teheran ermöglichen soll, sich in die internen Angelegenheiten arabischer Länder einzumischen. Teheran hat auch Kritik geübt, als die Arabische Liga das Regime von Bashar al-Assad für illegitim erklärt und Syrien verboten hat, den Treffen der Liga beizuwohnen. Was geht Teheran die Arabische Liga an?
Wie sehen Sie die Syrian National Coalition, die syrische Opposition?
Sie bekommt nun mehr und mehr Anerkennung, die Einheit wird nach und nach gestärkt.
Warum zögern die Europäer oder die USA bei der Anerkennung der syrischen Opposition?
Frankreich hat die Opposition anerkannt. Der Rest Europas wird folgen. Zuerst hat der Westen der Opposition ausgerichtet, ihr seid nicht geeint, also können wir euch nicht helfen. Nun ist die Opposition geeint und es gibt keine Ausrede mehr für den Westen, ihr nicht beizustehen. Man kann nicht über Menschenrechte reden und dann abseits stehen, wenn den syrischen Bürgern das Recht auf Leben verwehrt wird.
Der syrischen Armee geht es nicht um die Bekämpfung strategischer Ziele, sondern die Armee macht ganze Städte zum Ziel. Damaskus, eine der ältesten Städte der Menschheit, wird Sektor für Sektor zerstört. Es liegt in der Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft, dies nicht länger zu dulden. Wenn man schon nicht direkt intervenieren will, so muss man zumindest helfen, die Opposition in die Lage zu versetzen, Ihr Land zu schützen.
Der in Saudi-Arabien geborene Osama bin Laden wurde 2011 getötet. Ist die Terror-Organisation Al-Kaida am Ende?
Al-Kaida war nicht nur für Saudi-Arabien eine Gefahr, sondern für die Welt. Wahrscheinlich haben sie sogar hier eine Präsenz. Wir haben Al-Kaida in Saudi-Arabien mit allen Mitteln, die wir hatten, bekämpft und waren damit erfolgreich.
Der saudische König Abdullah ibn Abd al-Aziz hat schon vor Jahren Reformen versprochen, damit sollte dem Terror der Boden entzogen werden. Was ist daraus geworden?
Die Gesellschaft in Saudi-Arabien ist konservativ, bei uns will die Regierung Reformen, die Bevölkerung ist vielfach dagegen. Man kann keine Revolution von oben verordnen. Das hat der Shah im Iran versucht und ist damit kolossal gescheitert.
Mit dem Image Saudi-Arabiens steht es nicht gerade zum Besten: In Ihrem Land gibt es öffentliche Enthauptungen, Frauen dürfen nicht Autofahren und es dürfen keine Kirchen errichtet werden.
Sie empfinden diese Art der Hinrichtung vielleicht als grausame Strafe, aber das islamische Recht, die Scharia, ist da eindeutig. Solche Regeln kann man nicht ändern, wenn man nicht die Scharia ändert. Saudi-Arabien ist ein einzigartiges Land und es ist auch nicht völlig unabhängig. Denn in Saudi-Arabien befinden sich die wichtigsten Heiligtümer des Islam. Daher müssen wir den islamischen Gesetzen bis in die kleinsten Details folgen. Dinge, die vielleicht in anderen moslemischen Ländern getan werden können, sind bei uns nicht möglich. Und Frauen hinter dem Steuer: Das ist keine Frage der Legalität - das ist legal - sondern eine Frage der Tradition. Es sind die Eltern, die die jungen Frauen vom Autofahren abhalten.
Könnten Sie sich vorstellen, dass in Ihrem Land eines Tages eine Kirche neben einer Moschee stehen könnte?
Es gibt in Saudi-Arabien keine christlichen Bewohner, daher ist die Frage bei uns anders als in anderen moslemischen Ländern.
Früher hat Saudi-Arabien den Bau von Moscheen finanziert. Ist die Finanzierung des Wiener Zentrums nun ein Paradigmenwechsel hin zum Dialog?
Es ist unfair, zu behaupten, dass Saudi-Arabien dieses Zentrum für als Vehikel für sich selbst oder bestimmte Zwecke verwendet. Wenn wir etwas Gutes tun, wirft man uns vor, dass wir das nur tun, um Einfluss zu nehmen. Die Struktur des Vorstands stellt die Unabhängigkeit sicher. Wir wissen nicht, was wir noch mehr tun könnten, um das König-Abdullah-Dialogzentrum noch unabhängiger zu machen. Aber wenn sie Ideen haben, dann lassen Sie uns diese wissen.
Das Interview wurde gemeinsam mit dem "Standard" geführt.
King-Abdullah-Dialogzentrum
Der Grund des Besuchs des saudischen Außenministers Saud al-Faisal, des spanischen Außenministers José Manuel García Margallo und von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon (neben einer Reihe weiterer Spitzenpolitiker und geistlicher Würdenträger) ist die am Montag erfolgte Eröffnung des König Abdullah bin Abdulaziz-Zentrums für Interreligiösen und Interkulturellen Dialog. In einem neunköpfigen Gremium, das alle wichtigen Entscheidungen im Zentrum treffen soll, sitzen je drei Vertreter christlicher und islamischer Glaubensrichtungen - darunter ein Emissär des Papstes und ein saudischer Wahhabit - sowie Repräsentanten von Judentum, Buddhismus und Hinduismus.
Im Februar wird in Wien eine internationale Konferenz der UN-Allianz der Zivilisationen ausgerichtet.
Saud bin Faisal bin Abdulaziz Al Saud
(geb. 1940) studierte an der Universität Princeton Ökonomie, war Vize- Ölminister und ist seit 1975 Außenminister des Königreichs Saudiarabiens und damit der am längsten dienende Außenminister der Welt.