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Iran jubelt - Israel schäumt

Von Arian Faal

Politik

Vorläufiger Atomdeal mit dem Westen stärkt Irans Präsident Rohani den Rücken und schwächt die Hardliner.


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Teheran/Genf. "Der Iran hat in den wenigen Wochen, die Rohani im Amt ist, das Beste herausgeholt. Stellen Sie sich vor, wie isoliert das Land noch im Juni war. Man hätte Sie belächelt, wenn sie von einem Atomdeal gesprochen hätten. Da sieht man, was man mit ein wenig Einlenken, einer neuen Tonart und einem freundlichen Auftreten alles erreichen kann. Am Ende haben die Perser es tatsächlich geschafft, den Europäern einen Deal anzudrehen, der ihnen das Recht auf Urananreicherung indirekt erlaubt und ihnen ihr Atomprogramm nicht grundsätzlich verbietet", analysiert ein iranischer Politikwissenschafter gegenüber der "Wiener Zeitung".

"Ein Erfolg für die tapfere iranische Nation und für die Macht der Diplomatie", titelten einige iranische Medien am Montag. Ebenso euphorisch zeigte sich der iranische Präsident Hassan Rohani über das "historische Abkommen" zwischen seinem Land und dem Westen: Im seit zehn Jahren andauernden Atomkonflikt rund um die umstrittene iranische Urananreicherung war es nach einem Verhandlungsmarathon in Genf am Sonntagmorgen endlich gelungen, mit den fünf UN-Vetomächten (Frankreich, China, Russland, Großbritannien und die USA) plus Deutschland ein befristetes schriftliches Abkommen (siehe Kasten) zu erzielen. Für den moderaten Pragmatiker Rohani kommt dieser außenpolitische Erfolg seines Verhandlungsteams unter dem Vorsitz seines engsten Vertrauten und Außenministers Mohammad Javad Zarif nach 100 Tagen Amtszeit gerade recht.

"Ich bin sehr glücklich, dass wir ein Atomabkommen zustande gebracht haben, bevor mein Regierungsteam hundert Tage im Amt ist", twitterte Rohani. Den Kritikern im eigenen Land, allen voran den Hardlinern, soll damit der Wind aus den Segeln genommen werden. "Die iranische Nation hat es geschafft, dass die Weltmächte das Recht des Iran auf Urananreicherung anerkennen", interpretierte Rohani das Abkommen.

Erneute Rückendeckungvon Khamenei

Während Washington und die anderen westlichen Verhandlungsländer eher auf jene Punkte wie etwa die unangekündigten Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) und den Stopp des Zentrifugenbaus hinwiesen, die der Iran künftig genau einhalten müsse, damit gesichert sei, dass sein Atomprogramm nachweislich friedlichen Zwecken diene, versuchte der iranische Präsident im eigenen Land vor allem die von Frankreichs Außenminister Laurent Fabius angekündigte Lockerung der EU-Sanktionen ab Dezember und die Billigung einer Anreicherung auf fünf Prozent zu verkaufen. Rückendeckung bekam er abermals vom Obersten Geistlichen Führer, Ayatollah Ali Khamenei. Der Deal sei ein "Segen" für die iranische Nation. Allah habe "die Gebete erhört".

Rohani richtete zudem an die Wirtschaftstreibenden im Iran den Appell, die Lockerung der Sanktionen als Chance zu sehen. "Wir haben den Grundstein gelegt, nun seid ihr dran", so die Forderung nach einer verstärkten Lukrierung von Investoren für den Iran.

Wie die Hardliner in Teheran, die das Abkommen mürrisch zur Kenntnis nahmen und sich nicht mit der Bevölkerung und der Regierung über den Deal freuten, schäumte auch die israelische Führung. Gleich von mehreren Regierungsmitgliedern hagelte es heftige Kritik an der Übereinkunft. Das "schlechte Abkommen" sei ein "historischer Fehler" und man fühle sich nicht daran gebunden, hieß es aus Regierungskreisen.

"Heute ist die Welt viel gefährlicher geworden, weil das gefährlichste Regime der Welt einen bedeutenden Schritt in Richtung der gefährlichsten Waffe der Welt gemacht hat", sagte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, der im Vorfeld alles darangesetzt hatte, den Deal noch zu verhindern. Außenminister Avigdor Lieberman sagte der israelischen Nachrichtenseite "Ynet", es handele sich um "den größten diplomatischen Sieg des Iran in den letzten Jahren". Allerdings blieb eine militärische Drohung diesmal aus.

Auch Riad zeigte sich über das Abkommen nicht sehr erfreut und kritisierte die "neue Achse Teheran-Washington". Im Grunde genommen geht es Israel und Saudi-Arabien bei ihrer Kritik am neuen Annäherungskurs zwischen den USA und dem Iran aber nicht nur um den Atomstreit, sondern darum, dass die iranische Führung mit dem jüngsten Deal seine Stellung als Regionalmacht und Wirtschaftsmacht deutlich ausbauen könnte.

Bei letzterem Punkt gibt es bereits Bewegung: Das Ende der internationalen Isolation durch die Wirtschaftssanktionen soll durch die Übereinkunft eingeläutet werden. Indien hat bereits seine Bereitschaft erklärt, ab nächster Woche wieder Gelder aus dem Ölgeschäft in den Iran zu überweisen. Indes haben die Ölpreise an den internationalen Märkten am Montag mit kräftigen Verlusten auf die Einigung reagiert. Anleger spekulierten darauf, dass iranisches Öl langfristig auf den Weltmarkt dränge, sagte Analyst Chee Tat Tan von Phillip Futures.

Atomabkommen

(af) Kernpunkt in dem auf sechs Monate befristeten Abkommen ist der Verzicht des Iran auf eine Urananreicherung über fünf Prozent. Bestände von bereits angereichertem Uran auf 20 Prozent müssen neutralisiert werden. Zudem verpflichtet sich Teheran, die Anreicherungskapazitäten nicht zu erhöhen, keine zusätzlichen Zentrifugen zu installieren und die Anzahl der Zentrifugen in Natanz und Fordo zu reduzieren. Der Schwerwasserreaktor in der Anlage Arak soll nicht in Betrieb genommen werden, um die Plutoniumproduktion zu verhindern. Unangekündigte Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), die die Einhaltung des Deals überwacht, werden fortan zugelassen. Im Gegenzug werden westliche Wirtschaftssanktionen ab Dezember schrittweise gelockert. Gesperrte Gelder aus Ölverkäufen (4,2 Milliarden Dollar) werden freigegeben. Die USA will Sanktionen im Umfang von 5,2 Milliarden Euro vorübergehend aussetzen.