Rafsanjanis Spielraum eingeschränkt - Opposition bröckelt. | Dutzende Verhaftungen - Trauermarsch abgesagt. | Teheran/Wien. "Ich habe mir die Wiederwahl von Mahmoud Ahmadinejad wesentlich leichter vorgestellt", soll Irans oberster geistlicher Führer Ayatollah Ali Khamenei mit runzelnder Stirn diese Woche einem seiner Vertrauten gebeichtet haben. In seinem Büro herrscht in diesen Tagen Hochbetrieb. Eine Krisensitzung jagt die nächste.
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Militärchefs gehen ein und aus. Einerseits kämpft man nach der Präsidentschaftswahl mit Betrugsvorwürfen und dem Druck der Straßenproteste. Andererseits hat Oppositionschef Moussavi nicht nur die Rückendeckung der demonstrierenden Bevölkerung, sondern auch die der Reformer rund um die Expräsidenten Mohammad Khatami und Ali Rafsanjani. Letzterer bereitet Khamenei mehr Kopfzerbrechen als die aufständische Bevölkerung. Seit Tagen taktiert Rafsanjani hinter den Kulissen, um die Allmacht Khameneis ins Wanken zu bringen. Nie zuvor war der Führer derart in Frage gestellt worden, vor ein paar Wochen undenkbare "Tod Khamenei"-Rufe waren in den letzten Tagen zu vernehmen und der Expertenrat hat sich eingeschaltet.
Khamenei kontert
Khamenei hat daraufhin in den letzten Tagen eine Reihe von Schritten eingeleitet, die bereits erste Früchte tragen: Erstens wurde Raf-sanjanis Spielraum deutlich eingeschränkt, er bekam keine Sprechzeit im Fernsehen, seine Angehörigen wurden vorübergehend verhaftet und das Freitagsgebet durfte er auch nicht halten.
Dann ergriff das Militär, genauer gesagt die Basij-und Pasdaran-Milizen, auf Geheiß Khameneis das Zepter auf Irans Straßen. Teheran gleicht seit Tagen einer Militärfestung. Überall sind Polizisten stationiert. Verhaftungen stehen auf der Tagesordnung. Am Donnerstag wurden 70 Universitätsprofessoren nach einem Treffen mit Moussavi verhaftet. Und es scheint, als ob die Opposition mehr und mehr bröckelt. Die harte Vorgangsweise der Streitkräfte hat die meisten Demonstranten verschreckt, die wenigen, die noch durchhalten, laufen Gefahr, eine Minderheit zu werden. Einer der unterlegenen Präsidentschaftskandidaten, Mehdi Karroubi, hat einen für Donnerstag geplanten Trauermarsch abgesagt.
Moussavi setzt indes auf Verhandlungen. Parallel zu all diesen Maßnahmen hat Khamenei innerhalb einer Woche drei Fernsehauftritte absolviert, um seinen Machtanspruch zu untermalen. Die Kritik am Westen und die Warnung an die Opposition hatten die entsprechende Signalwirkung.
Khameneis Schützling, Präsident Mahmoud Ahmadinejad, setzte noch eins drauf und meinte in Richtung USA, dass US-Präsident Barack Obama aufpassen solle, dass er sich nicht so benehme wie sein Vorgänger George W. Bush. Die Hardliner im Iran sind in ihrer Sache sehr entschlossen. Dafür sind sie innen- wie außenpolitisch bereit, über Leichen zu gehen.