Westliche Firmen stehen Schlange, um am Wirtschaftskuchen zu naschen.
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Teheran/Wien. Eine Atempause gewährt der Iran seinen Konkurrenten nicht. Zwar ächzten die großen Ölexportländer am Golf sowie Russland zuletzt unter den rasant gefallenen Ölpreisen, doch das hält Teheran nicht davon ab, die eigenen Förderanlagen wieder auf Vollbetrieb umzustellen. Am Montag, nur zwei Tage nach Aufhebung der westlichen Sanktionen, ließ der Chef der iranischen Ölbehörde, Rokneddin Javadi, verlauten, dass das Land seine tägliche Produktion von derzeit 2,8 Millionen Barrel um eine halbe Million Barrel erhöhen werde.Eine entsprechende Anordnung sei bereits ergangen.
Dies spiegelte sich auch auf dem Ölmarkt wider. Die richtungsweisende Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee war zu Wochenbeginn mit 27,67 Dollar je Barrel (159 Liter) zeitweise so billig wie zuletzt im November 2003. Auch wenn der Preis im Verlauf des Tages wieder ein wenig anzog - er schloss niedriger als am Freitag und war weiterhin weit von der 30-Dollar-Marke entfernt.
Der Westen steht nach der Implementierung des Atomdeals Schlange, um am iranischen Wirtschaftskuchen mitzunaschen. Auch die Islamische Republik hat Interesse, ihre Wirtschaftsbeziehungen mit Europa und der Welt auszubauen.
Genau hier setzen vor allem österreichische Unternehmen wie die OMV und die AUA an. OMV-Chef Rainer Seele hat bereits bekundet, mit Teheran verstärkt ins Ölgeschäft zu kommen, und will konkrete Schritte setzen. Man werde in Gesprächen mit der National Iranian Oil Company (Nioc) "Projekte konkretisieren und die Eckpunkte festlegen". Wie schnell die Förderung von iranischem Öl und in der Folge die Lieferung nach Europa erfolgen würde, sei noch unklar. Gaslieferungen nach Europa sieht Seele "innerhalb dieser Dekade nicht. Denn da müsste zuerst einmal die lokale Infrastruktur ausgebaut werden". Zudem gebe es auch in der Region des Nahen und Mittleren Ostens genügend Bedarf nach Erdgas. Bei Öl hingegen könne man schnell Einnahmen erzielen.
Handelsvolumen soll auf eine Milliarde Euro pro Jahr steigen
Auch die AUA springt verstärkt auf den Iran-Zug auf. Mit 14 wöchentlichen Direkt-Flügen nach Teheran und vier nach Isfahan hat die österreichische Fluglinie europaweit als eine der ersten in der Branche spürbare Intensivierungsschritte gesetzt. Insgesamt hofft Österreich auf eine Vervielfachung des Handelsvolumens mit dem Iran in den nächsten fünf Jahren auf eine Milliarde Euro.
Österreich liefert derzeit pro Jahr Güter im Wert von rund 215 Millionen Euro in den Iran, die Einfuhren von dort machten wegen des Ölembargos nur ein Zehntel davon aus. Österreich bezieht aus dem Iran vor allem Farbstoffe, Teppiche und Trockenfrüchte. Bedeutendste österreichische Exportprodukte sind Maschinen und Apparate sowie Pharma-Produkte. Doch Irans Präsident Hassan Rohani, der nächste Woche als erster iranischer Staatschef seit 2005 wieder die EU (Italien und Frankreich) besucht, will auch anderwertig die Werbetrommel rühren. Große Betriebe wie Peugeot, Daimler, Total und Renault interessieren sich bereits für ein stärkeres Engagement im schiitischen Golfstaat.
Möglich geworden ist all dies durch den jüngsten Bescheid der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), in dem festgehalten wird, dass Teheran seine Verpflichtungen laut dem historischen Deal vom 14. Juli 2015 erfüllt. Damit kann die Implementierung beginnen.
Worum ging es? Der Westen verdächtigte den schiitischen Golfstaat, unter dem Deckmantel eines friedlichen Nuklearprogramms heimlich an Atomwaffen zu arbeiten. Mehrere Sanktionspakete und Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, der USA und der EU vermochten auf Teheran kaum Eindruck zu hinterlassen. Lediglich die wirtschaftliche Lage wurde in den vergangenen Jahren immer desolater, vor allem bedingt durch das Gas- und Ölembargo des Westens gegen den Iran. Was aber die wenigsten wissen: Die wirtschaftliche Misere der Islamischen Republik ist zu 70 Prozent hausgemacht und das Resultat einer jahrelangen Misswirtschaft und massiver Fehlplanungen. Die Folge ist, dass das Land mit den zweitgrößten Erdgas- und viertgrößten Erdölreserven weltweit immer noch Benzin importieren muss, da sich die Raffinerien in einem katastrophalen Zustand befinden.
Irans Präsident Rohani, übrigens politisch einer der Hauptnutzzieher der endgültigen Beilegung des Atom-Konfliktes, betonte in seiner Rede anlässlich der Aufhebung der Sanktionen, dass sein Land nun schnell von der Öl-Abhängigkeit wegkommen und die Wirtschaft auf Vordermann bringen müsse.
Rohani hat den Erfolg seinen vier "Jokern" zu verdanken, die im Atomstreit brillante Arbeit hingelegt haben: Außenminister Mohammad Javad Zarif, Chefunterhändler und Vizeaußenminister Abbas Araqchi sowie Ali Akbar Salehi, Vizepräsident und Chef der iranische Atomenergiebehörde. Alle drei haben ein ausgezeichnetes Verhältnis zu ihren westlichen Kollegen, allen voran zu ihren amerikanischen Gegenparts - US-Außenminister John Kerry und Energieminister Earnest Moniz.
USA und Iran: "Weiterhingroße Differenzen"
Während die ersten drei außenpolitisch die Verhandlungen geführt haben, hat Rohanis politischer Ziehvater, Ayatollah Akbar Hashemi-Rafsanjani, Irans Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei davon überzeugt, seinen Segen zu dem Deal zu erteilen. Letzteren hat er zwar erhalten, die Skepsis gegenüber den USA ist aber nach wie vor aufrecht. Und sie beruht auf Gegenseitigkeit: So hat Washington trotz der Euphorie über den Deal am Sonntag neue Sanktionen gegen Teheran verhängt. Diesmal gegen Personen und Konten, die mit dem Raketenprogramm Teherans in Verbindung stehen. Ob "großer Differenzen" würdigte US-Präsident Barack Obama das Abkommen mit dem Iran in einer TV-Ansprache als "Erfolg starker Diplomatie". Teheran werde keine Atombombe in seine Hände bekommen, hieß es in Washington. Kurz zuvor hatten die beiden Erzfeinde Gefangene ausgetauscht und so eine Geste des Neuanfangs gesetzt. Unter den Freigelassenen befand sich auch der inhaftierte US-iranische Journalist Jason Rezaian.
Rohani ist mit der Implementierung des Atomdeals vor den Parlaments- und Expertenratswahlen am 26. Februar sicherlich ein wichtiger innenpolitischer Coup gelungen. Damit schafft er sich und seiner moderaten Reformbewegung Rückhalt gegenüber den Hardlinern, die alles versuchen werden, um die beiden derzeit noch von ihnen dominierten Institutionen zu halten. Doch auch hier hat der Oberste Geistliche Führer Ali Khamenei das letzte Wort.