Zum Hauptinhalt springen

Iran: "Reaktionäre Diktatur verhindern"

Von WZ Online

Politik

Nach dem überraschend starken Abschneiden des erzkonservativen Politikers Mahmoud Ahmadinejad in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl im Iran haben sich die Reformkräfte des Landes nahezu geschlossen hinter seinen gemäßigten Konkurrenten gestellt. Die Iraner seien aufgerufen, ihre Stimme Ex-Präsident Akbar Hashemi Rafsanjani zu geben, um nicht "in die Falle des Talibanismus und des Totalitarismus zu laufen", erklärte die wichtigste Reformpartei, die Iranische Islamische Beteiligungsfront (IIPF), am Sonntag.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Rafsanjani selbst appellierte an die Bevölkerung, sich mit ihrer Stimme gegen den Extremismus im Iran zu stellen. Die radikalen Kräfte im Land hätten die erste Runde "befleckt", erklärte Rafsanjani. Zugleich kündigte der ehemalige Staatschef an, in einer neuen Amtszeit wolle er eine Regierung der nationalen Einheit aufstellen.

Nachdem bei der ersten Runde am vergangenen Freitag keiner der sieben Präsidentschaftskandidaten die absolute Mehrheit erringen konnte, treten Rafsanjani und Ahmadinejad am 24. Juni in einer Stichwahl gegeneinander an. Das Innenministerium bestätigte den Termin am Sonntagabend. Dem offiziellen Ergebnis zufolge erhielt der als gemäßigt geltende Konservative Rafsanjani, der eigentlich als hoher Favorit ins Rennen gegangen war, in der ersten Runde nur 21,0 Prozent der Stimmen. Mit äußerst knappem Abstand folgte der Teheraner Bürgermeister Ahmadinejad, der überraschend auf 19,47 Prozent kam. Die Reformkandidaten Mehdi Karroubi und Mustafa Moin landeten mit 17,28 beziehungsweise 13,82 Prozent lediglich auf den Plätzen drei und fünf.

Karroubi, ein Vertrauter des scheidenden Präsidenten Mohammed Khatami, bezichtigte die Anhänger Ahmadinejads des Wahlbetrugs. Auch die linksgerichtete Partei Organisation der Mujahedin der Islamischen Revolution (OMIR) sprach von Manipulationen. Es gebe eine "offensichtliche, plötzliche und unvorhersehbare Differenz" zwischen den Vorwahlumfragen und dem Wahlergebnis, was auf eine Einmischung des Militärs schließen lasse.

Während Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi und der Dissident Hashem Aghajari ihren Boykott der Stichwahl ankündigten, erklärte die OMIR, alle "wachsamen und reifen" Iraner müssten Rafsanjani ihre Stimme geben, um "eine reaktionäre Diktatur" zu verhindern. Auch der gescheiterte Präsidentschaftskandidat Moin erklärte, die aktuelle Lage verbiete einen Boykott. Die Reformerzeitung "Sharg" verglich die Lage mit der Situation in Frankreich während der Präsidentschaftswahl 2002, in der es der Rechtsextremist Jean-Marie Le Pen in die Stichwahl gegen Staatschef Jacques Chirac geschafft hatte. "Es ist jetzt ganz klar, dass Rafsanjani die einzige Möglichkeit ist, die Demokratie im Iran zu erhalten. Wer heute über Boykott redet, übt Verrat an der Freiheit."

Ahmadinejad ist ein ehemaliger Offizier der militant-konservativen Revolutionsgarden und seit Februar 2003 Bürgermeister von Teheran. In seinem Amt zeichnete der 49-Jährige sich vor allem durch den Versuch aus, die Hauptstadt zu "islamisieren". Kulturelle Einrichtungen ließ er schließen, die Kleiderordnung wurde verschärft, und schiitisch-religiöse Feste wurden gefördert. Die USA betrachtet er als Feinde. Der konservative Ex-Präsident Rafsanjani gilt dagegen als Pragmatiker, der sich bereits für einen Versöhnungskurs mit den USA aussprach.

Rice: Wahl im Iran verdient diesen Namen nicht

In einer ersten Reaktion der USA hat Außenministerin Condoleezza Rice die Präsidentschaftswahl im Iran trotz der hohen Wahlbeteiligung von 62,7 Prozent als unbedeutend eingestuft. "Eine Wahl, in der Tausende Kandidaten disqualifiziert wurden und Frauen nicht antreten konnten, verdient den Namen nicht", sagte sie am Sonntag im Sender ABC. Durch die Wahl werde die iranische Regierung nicht an Legitimität gewinnen.

Als Bumerang schien sich ein Kommentar von US-Präsident George W. Bush erwiesen zu haben. Dieser hatte die Wahl vor der ersten Abstimmung als Versuch bezeichnet, mit dem das Mullah-Regime seine Macht festigen wolle. Die ungewohnt hohe Wahlbeteiligung führte Geheimdienstminister Ali Younesi darauf zurück. "Bush hat vor allem die Konservativen dazu gebracht, aus Protest gegen seine Worte zur Wahl zu gehen. Herr Bush, vielen Dank dafür", sagte Younesi.