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Iran und Kasachstan vor Uran-Deal?

Von Gerhard Lechner

Politik

Beide Staaten dementieren Atom-Zusammenarbeit. | Hohes Risiko für kasachischen OSZE-Vorsitz. | Wien. Erhebliche Aufregung und energische Dementis lösten gestern, Mittwoch, aus Kreisen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO durchgesickerte Informationen aus, wonach der Iran von Kasachstan 1350 Tonnen Uranerz für sein Atomprogramm erhalten wird. Den Deal, der gegen Sanktionen des UNO-Sicherheitsrates verstößt, sollen kasachische Regierungsmitglieder eingefädelt haben. | Leitartikel: Kasachstan als Menetekel


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Beide Staaten wiesen die auf einem Geheimdienstbericht beruhenden Informationen umgehend zurück. Ein iranischer Vertreter bei der UNO sprach davon, "diese Nachrichtenmache" sei "Teil eines psychologischen Krieges" gegen sein Land und diene den Interessen der dominierenden Mächte. Kasachstan, das hinter Australien die zweitgrößten Uranlagerstätten der Welt besitzt, dementierte den Bericht ebenfalls, allerdings deutlich weniger heftig: "Wir können nicht sagen, worauf diese Information beruht. Gegenwärtig prüfen wir sie eingehend und werden in der nächsten Zeit eine Erklärung abgeben", äußerte sich Jerschan Aschikbajew, der Sprecher des kasachischen Außenministeriums.

Begehrter Rohstoff

Der Iran benötigt den Rohstoff für sein vom Westen scharf kritisiertes Urananreicherungsprogramm. In dem Land werden nur etwa 20 Tonnen Uran im Jahr gewonnen - Kasachstan fördert 8500 Tonnen jährlich zutage. Dazu kommt noch, dass Teheran derzeit vehement eigene Zentrifugen zur Anreicherung von Uran baut. Offerte, sein Uran unter internationaler Kontrolle im Ausland anreichern zu lassen - zuletzt hatte sich Russland dafür angeboten - hat Teheran zurückgewiesen und damit die Zweifel vor allem in Israel und den USA verstärkt, der Iran strebe in Wahrheit nach dem Bau von Kernwaffen. Bis zu einem gewissen Grad angereichertes Uran ist ein Grundstoff für den Bau von Atombomben.

Laut dem Geheimdienstbericht soll das Uranerz aus Kasachstan in den kommenden Wochen den Iran erreichen. Teheran wäre demnach bereit, rund 315 Millionen Euro für das kasachische Uran zu zahlen: Für den ebenfalls von der Wirtschaftskrise getroffenen zentralasiatischen Riesen, der sein Öl und Gas nach den Worten von Außenminister Kanat Sadaubajew "in jede profitable Richtung" exportiert, in jedem Fall ein einträgliches Geschäft.

Aber auch ein riskantes: Denn Kasachstan, dessen westliche Ausläufer geographisch bis nach Europa reichen, übernimmt am 1. Jänner den Vorsitz der OSZE und ist in letzter Zeit betont um ein positives Image in Europa bemüht: Ein Forum von Nichtregierungsorganisationen, das Ende November in der Hauptstadt Astana stattfand, hatte den erfolgreichen Weg des zentralasiatischen Riesenstaates zur modernen Zivilgesellschaft demonstrieren sollen; Regierungsvertreter nehmen auffällig oft Worte wie "Transparenz" in den Mund. Eine Umgehung der UNO-Sanktionen gegen den Iran passt da nicht ins Bild: Bereits Russland hatte unter internationalem Druck von seinen Plänen abgelassen, den Persern sein Uran zu verkaufen. Auch aus der IAEO, deren Diplomaten den Bericht lanciert hatten, hört man daher zweifelnde Stimmen, ob die Kasachen den Deal wirklich wagen: Zu viel, so heißt es, stünde für das wegen Menschenrechtsverletzungen ohnehin unter internationaler Beobachtung stehende Regime von Präsident Nursultan Nasarbajew auf dem Spiel.

Gezielte Sanktionen?

Die USA drohen dem Iran unterdessen mit weiteren Sanktionen, falls sich Teheran im Atomstreit nicht bewegt. Regierungssprecher Robert Gibbs sagte, das Weiße Haus habe bereits vor Wochen "mit Plänen für die nächste Phase begonnen". Insidern zufolge tendiert die US-Regierung immer deutlicher zu gezielten Sanktionen gegen tragende Kräfte der Islamischen Republik, etwa Reisebeschränkungen. Vorstellbar wären auch Sanktionen gegen die Finanz- und Versicherungsindustrie des Landes. Breiter angelegten Strafmaßnahmen gegen die Ölindustrie des Iran steht man in Washington offenbar eher skeptisch gegenüber, obwohl sie von immer mehr Abgeordneten des US-Kongresses gefordert werden: Sie könnten "lediglich die iranische Paranoia gegenüber dem Westen befeuern", sagte ein Diplomat.

Wissen: Uran

Um Kernenergie erzeugen zu können, muss eine ausreichende Menge des seltenen Isotops Uran-235 angereichert werden, das - je nach Anreicherungsgrad - für AKW oder Atombomben eingesetzt werden kann. Für den Betrieb eines Reaktors muss das Material auf etwa 3 Prozent, für eine Kernwaffe auf rund 90 Prozent angereichert werden. Bei Uran-235 handelt es sich um eine Spielart des radioaktiven Elements Uran, das in Natururan (Uran-238) nur zu 0,7 Prozent vorkommt. Zum Bau einer Atombombe benötigt man etwas mehr als ein Dutzend Kilo Uran-235. Da sich das häufige Isotop Uran-238 von Uran-235 chemisch nicht trennen lässt, erfolgt die Anreicherung in einem komplizierten Verfahren. Tausende Gaszentrifugen (Kaskaden) müssen dabei hintereinander geschaltet werden. Militärisch wird Uran auch als Projektilkernmaterial für panzerbrechende Munition genutzt, die sogenannte Uran-Munition.

Wissen: OSZE

Die OSZE hat 56 Mitgliedsstaaten von Vancouver bis Wladiwostok. Hauptsitz ist Wien. 1994 aus der KSZE, dem Dialogforum zwischen Ost und West, hervorgegangen, behandeln ihre Organe und Institutionen Sicherheitsfragen wie Abrüstung, Konfliktverhütung sowie wirtschaftliche Sicherheit, aber auch Fragen der Menschenrechte und des Minderheitenschutzes - und die Organisationen ist für die Wahlbeobachtung in den Mitgliedsstaaten zuständig.

Die jeweils einjährige Präsidentschaft der Organisation bietet dem Vorsitzland - 2010 Kasachstan - die Möglichkeit, thematische Schwerpunkte zu setzen. OSZE-Entscheidungen werden grundsätzlich im Konsens getroffen. Jedes Mitgliedsland hat eine Stimme, unabhängig von seiner Größe. Eine Ausnahme vom Konsens-Prinzip wird lediglich bei schweren Verletzungen der OSZE-Verpflichtungen gemacht. Österreich hatte den Vorsitz 2000 inne.