Im Atomstreit mit dem Iran wird für den Westen die Zeit knapp.
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Teheran/Wien. Die Angst vor einem atomar bewaffneten Iran im Nacken, wird die Zeit für den Westen knapp. Bereits im Jahr 2005 warnten die USA, dass Teheran in weniger als zehn Jahren über Nuklearwaffen verfügen könnte. Laut jüngsten Schätzungen des Geheimdienstes CIA wäre der Iran bereits 2012 in der Lage, zwei Atombomben herzustellen.
Die iranische Führung hat stets dementiert, Atomwaffen zu besitzen beziehungsweise an ihnen zu bauen. Damit hat sie wahrscheinlich nicht einmal gelogen. Denn ihr geht es nur darum, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, wie der Direktor für Atomwaffensperre und -abbau am International Institute for Strategic Studies in London, Mark Fitzpatrick, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erklärt. "Die Arbeit, die in die Entwicklung von Waffen gesteckt wird, das Horten von Vorräten an angereichertem Uran, das zu zivilen Zwecken auf Jahre hinaus nicht gebraucht würde, das Testen von ballistischen Raketen - das alles lässt nur einen Schluss zu: Der Iran will in der Lage sein, Atomwaffen zu produzieren, wann immer er die politische Entscheidung dazu trifft."
Dass grundsätzlich auf Atomwaffen hingearbeitet wird, steht für Fitzpatrick außer Zweifel: "Kein objektiver Beobachter kann an der Behauptung festhalten, dass das nukleare Programm des Iran ausschließlich friedlichen Zwecken dient." Darauf verweisen ihm zufolge auch die neuen Hinweise der IAEO, so sie bestätigt werden. Wie weit die Waffen-Entwicklung fortgeschritten sei, sei noch unklar. "Der Tag, an dem der Iran eine Atombombe bauen kann, ist noch mehr als ein Jahr entfernt", glaubt Fitzpatrick. Doch ein Jahr ist denkbar wenig Zeit.
Dementsprechend nervös reagiert der Westen, der über die Jahre konstant den Druck auf den Iran erhöht hat. In Verhandlungen versuchten zuerst die USA, dann die EU-Troika (Großbritannien, Frankreich und Deutschland) und schließlich wieder die USA, das Regime in Teheran von seinem Atomprogramm abzubringen. Doch der Iran ging auf die diversen Angebote nicht ein, wissend, dass die Zeit für ihn spielt.
Wissenschafter getötet
Der Westen schaltete den UNO-Sicherheitsrat ein. Trotz Widerstands Russlands und Chinas wurden Sanktionen gegen den Iran verhängt und immer wieder verschärft. Eine militärische Lösung sei keine Option, hieß es stets. Aber die atomaren Fortschritte des Iran wurden mit allen anderen Mitteln bekämpft. Im Jänner 2010 wurde der iranische Teilchenphysiker Massud Ali-Mohammadi von einer ferngesteuerten Bombe getötet. Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad beschuldigte die USA und Israel des politischen Mordes.
Im Sommer 2010 sabotierte der neuartige Computervirus Stuxnet das nukleare Programm des Iran. Die Inbetriebnahme des ersten iranischen Atomkraftwerks, ursprünglich für den November 2010 geplant, hat sich um mehrere Monate verzögert. Es wird vermutet, dass der Virus vom israelischen Geheimdienst - mit Unterstützung aus den USA - entwickelt und eingesetzt wurde.
Im November 2010 kam dann bei zwei weiteren Bombenanschlägen in Teheran ein iranischer Atomforscher ums Leben, ein weiterer wurde verletzt. Gleichzeitig hieß es in US-Militärkreisen, dass man Israel unterstützen werde, sollte es einen Anschlag auf iranische Atomanlagen verüben. Diplomaten westlicher Großmächte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erklärten hinter vorgehaltener Hand, dass es schon sehr bald krachen könnte, sollte Teheran nicht sein Atomprogramm aufgeben.
Im Juli 2011 wurde der 35-jährige Physiker und Universitätsdozent Dariusch Rezaie vor dem Kindergarten seiner Tochter durch Schüsse zweier Täter getötet. Israelische Medien berichteten, der Doktor der Physik habe an der Entwicklung eines Zünders für Atombomben gearbeitet. Er sei täglich in einem Forschungszentrum für Nuklearwissenschaften im Norden Teherans gesehen worden. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak antwortete auf die Frage, ob Israel in diese Tat verwickelt sei: "Israel antwortet nicht." Die USA wiesen eine Beteiligung an dem Mord zurück.
Ende voriger Woche berichteten britische Medien schließlich offen über Kriegsvorbereitungen Großbritanniens. Mitten in dieses Szenario kommt der aktuelle Bericht der IAEO über den Iran. "Die neuen Informationen bedeuten nicht, dass jetzt der Zeitplan gerafft wird", erklärt Fitzpatrick, "sie bedeuten aber auch nicht, dass ein nuklear bewaffneter Iran unausweichlich ist."