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Teheran. Im Iran wächst die Unzufriedenheit an der Wirtschaftspolitik von Präsident Mahmoud Ahmadinejad. Im ganzen Land wollen die Prediger am heutigen Freitag beim wöchentlichen Traditionsgebet zur aktuellen Wirtschaftslage Stellung nehmen. Hierbei dreht sich alles nur um die Frage, wie die immer größer werdende Armut verhindert werden kann. Neuerliche Proteste der Perser werden ebenfalls erwartet.
Innenpolitisch setzt dem Präsidenten die rasante Talfahrt der Währung Rial zu. In einigen Tagen muss Ahmadinejad dem Parlament erklären, was er zu tun gedenkt, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Innerhalb der letzten neun Monaten hat der Rial knapp 80 Prozent an Wert verloren. Donnerstagabend dotierte der Rial bei einem Wert von 37.500 für einen US-Dollar und rund 45.000 für einen Euro.
Auch der Ärger über das finanzielle Syrien-Engagement der Regierung groß. Auf mehreren Wänden in Teheran sind Sprüche wie "Mahmoud, vergiss Syrien, kümmere dich um uns" zu lesen. Die Inflation liegt mittlerweile offiziell bei rund 25 Prozent, die Arbeitslosigkeit bei rund 15 Prozent.
Parallel dazu spürt der islamische Gottesstaat die wegen dem umstrittenen Atomprogramm verhängten westlichen Sanktionen. Besonders hart trifft Teheran das EU-Ölembargo. Nicht nur, dass seit 1. Juli kein iranisches Öl mehr in die EU fließen darf, auch die Verträge mit den europäischen Versicherern für iranische Schiffe sind nicht mehr verlängert worden. Fazit: Seit Jahresbeginn hat der Iran statt zunächst 2,5 Mio. Barrel nur noch 1,5 Mio. Barrel seines schwarzen Golds exportieren können.
Dies alles schlägt sich auch im Alltag der Perser wider. Die Teuerungswelle für Grundnahrungsmittel nimmt horrende Ausmaße an. Ein Kilo Reis -das wichtigste Lebensmittel im Iran- kostet nun 45.000 Rial, noch vor drei Wochen musste man dafür nur 30.000 Rial bezahlen. Auch die Preise für Molkereiprodukte, Brot, Fisch und Huhn haben sich in den letzten Tagen verdoppelt. Nach den gewaltsamen Protesten vom Mittwoch, bei denen es laut Augenzeugenberichten auch Tote und Verletzte gab, blieb der große Bazar von Teheran am Donnerstag schon den zweiten Tag in Folge geschlossen. Am Samstag soll er seine Pforten unter großem Polizeiaufgebot wieder öffnen.
Derzeit herrscht allerdings Ratlosigkeit darüber, was es denn zu bedeuten habe, dass die Regierung seit Donnerstag keine Wechselkurse mehr bekanntgab. "Ein Anzeichen für Schwäche oder Unsicherheit?", fragen mehrere Händler im telefonischen Gespräch mit der APA. Die Rolle der Bazaris (Händler) sollte die Regierung, vor allem aber Ahmadinejad, nicht unterschätzen. Sie waren es, die maßgebend beim Sturz des Schah 1979 beteiligt gewesen sind.
Auch aus dem europäischen Ausland erging eine Hiobsbotschaft für Ahmadinejad: Die EU will am 15. Oktober zusätzlich zum Öl-Embargo auch ein Gas-Embargo gegen Teheran beschließen. Die Kritiker Ahmadienjads, allen voran Parlamentspräsident Ali Larijani und der Chef des Schlichtungsrates, Ali Akbar Hashemi - Rafsanjani, haben einen "sofortigen Maßnahmenkatalog" für ein Ende der Wirtschaftskrise gefordert. Denn auch die wissen, dass dieser Wirtschaftskollaps im Iran soziale Sprengkraft hat.