Springen über das "Mittwochsfeuer". | Der Tisch wird mit "Sieben S" gedeckt. | Wien. Nicht einmal drei Monate nach Silvester gibt es wieder eine Neujahrsfest. Am 21. März begannen die 13-tägigen Nouruz-Feiern für Iraner, Afghanen, Kurden, aber auch Menschen aus Tadschikistan, Kasachstan, Usbekistan und Aserbaidschan. Das Jahr 1390 hat begonnen.
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Als Vorgeschmack wurde bereits letzten Mittwochabend das "Mittwochsfeuer" angezündet, über das Jugendliche springen und dabei rufen: "Meine Blässe möge Dir gehören, deine Röte sei mein." Auf diese Weise wollen sie sich von Lasten befreien und sich ihr Glück für Neujahr sichern. Das Feuer macht den Kampf zwischen Licht und Finsternis sichtbar. In Wien begeht man das Ritual eher privat, etwa im eigenen Garten.
"Iraner feiern unterschiedlich: die Älteren eher traditionell, die Jugendlichen mit Clubbings. Wichtig ist der Zeitpunkt des Frühlingsbeginns. Mit ihm startet das neue Jahr, also jedes Mal an einem anderen Tag", sagt die in Teheran geborene Azar Safari.
Seinen Ursprung hat Nouruz ("Neuer Tag") in der altpersischen Religion der Zoroastrier und wird seit mehr als 3000 Jahren in Zentralasien, dem Nahen Osten und im Kaukasus gefeiert. Seit 2010 ist es von der UNO anerkannt.
In Persien war der Tag jahrhundertelang der wichtigste weltliche Feiertag. Reiterspiele, Gesang, Tanz und sich gegenseitig mit Wasser zu bespritzen gehörten zum Programm. Die Jungen besuchen die Älteren und werden beschenkt. "Unser Fest hat den Charakter eines Übergangsrituals. Etwas Neues kommt auf einen zu. Man kauft neue Kleider und Schuhe. Davor wird das Haus gründlichst geputzt", erzählt Safari.
Wichtiger Teil vom Fest ist die Zubereitung der "Sieben S" (Haft Sin). Es sind Bestandteile, die auf Persisch mit dem Buchstaben "S" anfangen wie Goldmünzen, Grünzeug, Knoblauch, Gewürze, Hyazinthen und Äpfel. Dann kommen noch gefärbte Eier und ein Goldfisch auf den Tisch. Traditionell steht Kräuterreis mit Fisch oder nur geräucherter Fisch auf der Speisekarte.
"Die S-Tradition symbolisiert die sieben Tugenden des Zoroastrismus", erklärt der gebürtige Iraner Arvid Mohebi. "Zum Essen kommen noch ein Spiegel, eine Kerze und ein heiliges Buch - der Koran bei Muslimen, die Bibel bei Christen oder die Avesta bei Zoroastriern - auf den Festtisch." Eine wichtige Rolle spielen Süßigkeiten. Man schließt die Augen, wünscht sich etwas, nimmt ein Stück Kuchen und "macht sich den Mund süß". Das Ritual soll ein "süßes Leben" sichern.
Mohebi: "Natürlich ist die Atmosphäre in Europa anders. Der 21. März ist ein Montag und kein Feiertag. Wir sind alle berufstätig. Geschicktes Zeitmanagement ist gefragt. Manche haben schon am 19. März gefeiert, andere warten auf den 25. März."
Auch Afghanen pflegen die Nouruz-Tradition. Laut Ghousuddin Mir vom Verein für afghanische Kultur, Integration und Solidarität leben in Österreich etwa 8000 Afghanen, doch nur ein Viertel davon feiert. "Viele können sich das Fest aus finanziellen Gründen nicht leisten." Dabei sei Nouruz kulturell von hoher Bedeutung. "Heuer haben wir Künstler aus verschiedenen Ländern eingeladen", erzählt Mir. Gefeiert wird in einem Lokal im 21. Bezirk.
Von Taliban verboten
"In meiner Erinnerung gab es in meiner Heimat Feste auf der Straße, wie hier zu Silvester, aber nur in Kabul und nur teilweise gemeinsam mit Frauen und Männern", erzählt Mir. Von den Taliban wurde der Feiertag als "unislamisch" verboten. "Jetzt darf man wieder feiern", berichtet der junge Asylwerber Mohammad Kakar. Da Kakar in Wien keinen Kontakt zur Verwandtschaft hat, kocht er mit Freunden etwas: "So bin ich nicht allein und traurig."
Zwölf Tage dauern beim Nouruz die gegenseitigen familiären Besuche. Am 13. Tag nimmt man das Grünzeug vom Festtisch und wirft es in die Natur ins fließende Wasser. Junge iranische Frauen knoten Gräser von der Wiese, um sich die erträumte Heirat zu ermöglichen. 30 bis 40 Personen lassen so auf der Donauinsel das Neujahrsfest gemütlich ausklingen.