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Irans Führung unter Beschuss

Von Arian Faal

Politik

Rafsanjani beruft Krisensitzung ein. | Mächtiger Expertenrat kritisiert Situation im Land. | Präsident Ahmadinejad verliert Unterstützung im Klerus. | Teheran/Wien. Irans oberster geistlicher Führer, Ayatollah Ali Khamenei, kommt immer mehr in Bedrängnis. Erstmals seit der Gründung der islamischen Republik 1979 hat der zweitmächtigste Mann des Gottesstaates, Ali Hashemi Rafsanjani, eine dringliche Krisensitzung des Expertenrates im Jänner einberufen. Rafsanjani ist der Chef des Expertenrates, eines Gremiums aus 86 Geistlichen, das für die Wahl, Abwahl und Beurteilung der Arbeit des geistlichen Führers zuständig ist. | Porträt Ali Hashemi-Rafsanjani


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Eigentlich war das Präsidium der geistlichen Elite letzte Woche nur zusammengekommen, um einen Termin für die nächste formelle Sitzung des Rates im März festzulegen. Doch Rafsanjani war sich mit den Präsidiumsmitgliedern des Rates sofort einig, dass eine "ernsthafte Besprechung der Situation des Landes für das Wohl der islamischen Republik unerlässlich sei". An dieser Sondersitzung im Jänner sollen neben den Mitgliedern des Präsidiums fünf ausgewählte Mitglieder des Gremiums sowie die Vorsitzenden der verschiedenen Kommissionen des Rates teilnehmen.

Der Rat, der sich gewöhnlich nicht mit der Regierungsarbeit beschäftigt, tritt zwei Mal pro Jahr zusammen, um die Arbeit des geistlichen Führers zu beurteilen. Meistens enden die Sitzungen des Klerikergremiums mit einem Statement, in welchem Khamenei gepriesen wird.

Umstrittene Wahl

Doch seit der umstrittenen Wiederwahl von Khameneis Schützling Mahmoud Ahmadinejad als Präsident hat sich der Expertenrat ungewohnt kritisch und erzürnt über die Begleitumstände der Wahl gezeigt. Die letzte Sitzung begann damit, dass Rafsanjani die Zustände im Land kritisierte und meinte, dass Verstöße gegen das Gesetz Despotie, Diktatur und Unilateralismus bedeuten würden.

Der 76-jährige Rafsanjani, ein jahrelanger Intimfeind Ahmadinejads, beruft die Krisensitzung zu einer Zeit ein, wo verbale Regierungsattacken und abwertende Kommentare über den Klerus aus der regierungstreuen Hardliner-Presse zunehmen. Insider in Teheran sehen Tendenzen, dass immer mehr Mitglieder des iranischen Klerus sich gegen Ahmadinejad stellen wollen und Rafsanjani schon ihre Zustimmung zugesichert haben. Auch Parlamentpräsident Ali Larijani äußerte in dieser Woche "Verständnis" für die Sorgen der Kleriker. Zuvor hatte sein Bruder, Justizchef Sadegh Larijani, bereits klargestellt, dass es einige Mängel in der Regierungsarbeit gäbe. All diese Aussagen lassen den Schluss zu, dass ein weiterer Zwist in der Führungsriege vorprogrammiert ist.

Brief des Ayatollah

Dass auch Khamenei selbst als Beschützer des Präsidenten unter Beschuss kommen wird, macht Großayatollah Ali Mohammad Dastgheib in einem aktuellen Brief klar: "Alles, was wir fordern, ist die Einhaltung eben jener Verfassung, die vom Volk gebilligt wurde. Kein führender Ayatollah ist glücklich mit den derzeitigen Zuständen im Land, denn sie widersprechen dem Koran, der Tradition und der Verfassung. Ayatollah Khamenei muss das klären. Was hat er bisher getan, um diese Machenschaften zu bremsen?", so der Kleriker.