)
Akbar Hashemi-Rafsanjani, zweitmächtigster Mann der Islamischen Republik, verstarb am Sonntag an den Folgen eines Herzinfarktes.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. "Ich kann es nicht glauben, eine Welt bricht zusammen. Es ist ein bitterer Tag für die Reformbewegung des Iran und ein Freudenfest für die Hardliner". So kommentierte ein iranischer Topdiplomat im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" mit Tränen in den Augen in einer ersten Stellungnahme das Ableben des zweitmächtigsten Mannes der Islamischen Republik, Akbar Hashemi-Rafsanjani. Der 82-jährige als moderat geltende Chef des Schlichtungsrates und politische Ziehvater von Präsident Hassan Rohani verstarb am Sonntagnachmittag an den Folgen eines Herzinfarkts. Bereits am Vormittag klagte er über Herzbeschwerden und wurde in eine Klinik eingeliefert.
Wie wichtig er für das Land war und ist, zeigt sich daran, dass Khamenei sofort eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen hat. Am Dienstag bleiben in der Islamischen Republik alle Schulen und Universitäten geschlossen, bereits am Sonntagabend kondolierte die gesamte Staatsspitze, Rohani selbst war zuvor ins Krankenhaus zu Rafsanjani geeilt.
Da er seit 1979, dem Beginn der Islamischen Revolution, in nahezu allen politischen Funktionen vor allem im Hintergrund die Fäden zog, galt er wegen seines diplomatischen Geschickes und seiner Wendigkeit schon zu Lebzeiten als "Irans Kardinal Richelieu": Den jetzigen Obersten Geistlichen Führer, Ayatollah Seyed Ali Khamenei, hatte Rafsanjani 1989 in einer mysteriösen Nacht-und-Nebel-Aktion zum Nachfolger von Revolutionsvater Ruhollah Khomeini gehievt. Präsident Hassan Rohani ist nur Präsident geworden, weil Rafsanjani 2013 altersbedingt selbst nicht antreten durfte und eine Wahlempfehlung für ihn abgab und seinen Segen für den Atomdeal und für Direktverhandlungen mit Washington gab Khamenei nur auf Drängen des mächtigen Rafsanjani, den die Perser wegen seines spärlichen Bartwuchses "Kuse" (Walfisch) nannten. Er sollte auch für die im Mai anstehenden Präsidentschaftswahlen im Iran für Rohani, der unter dem starken Druck der Hardliner leidet, in die Bresche springen und die Bevölkerung davon überzeugen, ihn wiederzuwählen.
Außerdem galt er wie schon oft als Hoffnungsschimmer und Königsmacher bei der Wahl des nächsten Obersten Führers, da Khamenei (77) schwer krank ist. "Stellen Sie sich ein Kartenhaus vor. Es hat immer zwei Schlüsselkarten, die nie beide weggenommen werden dürfen, sonst fällt alles zusammen. Rafsanjani war einer dieser beiden Karten, wenn man das auf den Iran ummünzt", erklärt der Diplomat, der nur unter der Bedingung anonym zu bleiben spricht.
Rafsanjani werde eine Lücke hinterlassen, die nicht mehr zu füllen sein werde, ergänzt er. "Rohani wird ab morgen große Probleme haben", befürchtet er.
Doch Rafsanjani hatte ebensoviele Feinde wie Freunde und mit ihm verliert der Iran einen umstrittenen Politveteranen.
Einer seiner Söhne muss sich noch immer wegen "systemschädigenden Verhaltens" der iranischen Justiz stellen, seine Kritiker lassen keine Gelegenheit aus, um ihm "unislamische und regimefeindliche Propaganda" vorzuwerfen, doch er ließ sich nie unterkriegen: Im Hintergrund zog er 36 Jahre lang die Fäden, lachte verschmitzt in die Kameras und konnte sich (fast) alles erlauben. Als Mahmoud Ahmadinejad 2009 wiedergewählt wurde und dies Massenproteste auslöste, stellte er sich hinter die Demonstranten und warf den Hardlinern vor, "das Land an den Rand des Abgrundes zu treiben". Diese quittierten seine Kritik mit dem Vorwurf, dass er selbst Teil der "Aufständischen" sei und zogen ihn vom Freitagsgebet ab. Kaltstellen könnten sie ihn aber nicht. Was nur die wenigsten wissen: Erst vor wenigen Wochen bat Khamenei, der sich damals klar hinter die Hardliner gestellt hatte, Rafsanjani erneut die Freitagspredigt zu halten, doch dieser winkte ab. "Ich werde die Predigt erst wieder halten, wenn ich etwas zu sagen habe, das wie eine Bombe einschlägt", sagte er selbstsicher. Die Vorgeschichte: Nach dem historischen Freitagsgebet am 17. Juli 2009, wo Rafsanjani ein Plädoyer für die Opposition hielt, zeichneten politische Analysten das Szenario so: "Der Fuchs Rafsanjani wartet in seinem Bau, bis der Wolf (Ahmadinejad als Platzhalter für Khamenei), der mächtiger wird, Fehler macht und schließlich abtritt. Dann präsentiert sich der Fuchs als Retter."
Viele Beobachter dachten an ein Abdriften Rafsanjanis in die politische Bedeutungslosigkeit. Doch obwohl er sich seit der Wiederwahl Ahmadinejads aufgrund seiner Sympathie für die Opposition mediale Beleidigungen durch die Ultra-Konservativen gefallen lassen musste und zwei seiner Kinder vorübergehend verhaftet wurden, hat er sich nie mundtot machen lassen. Das Verhältnis zwischen Khamenei und Rafsanjani ist seit 2009 getrübt. Seit der umstrittenen Wiederwahl von Mahmoud Ahmadinejad, bei der Khamenei mit Ahmadinejad und Rafsanjani mit der Opposition sympathisierte, haben sich die beiden auseinandergelebt.
Daraufhin wurde Rafsanjani von Ahmadinejad ins politische Abseits gedrängt, seines Postens als Freitagsprediger von Teheran und als Chef des Expertenrates enthoben und blieb nur noch Chef des Schlichtungsrates. Dennoch musste Khamenei erkennen, dass er Rafsanjani braucht, um das System zu erhalten.
Aller Lobhudelei zum Trotz ist der Ex-Präsident selbst bei seinen Fans alles andere als unumstritten. Als der politische Überlebenskünstler selbst Präsident war, hat er viele Perser enttäuscht, die in ihm heute "einen Retter der Nation" sehen. Er galt ihnen als korrupt, machtgierig und berechnend.
Der am 25. August 1934 als Sohn eines Großgrundbesitzers von Pistazienplantagen in Rafsanjan geborene Politiker war in Ghom ein Schüler von Ayatollah Khomeini. Während des Schah-Regimes war er mehrmals im Gefängnis und seit 1977 maßgeblich an der Planung zum Sturz der Monarchie beteiligt. Vom Ölministerium bis zu den finanzkräftigen Konzernen des Landes fand man in den letzten 37 Jahren immer Verbündete, wenn nicht gar Verwandte Rafsanjanis.
Sein ältester Sohn baute die U-Bahn in Teheran, der Zweitälteste macht Geschäfte mit Erdgas und Erdöl. Korruptionsvorwürfe konnten ihm nie etwas anhaben. Er verstand es nämlich von Anfang an, seine wirtschaftliche Macht auch politisch abzusichern.
Zunächst als Mitglied des Revolutionsrates 1979-80, dann als Parlamentspräsident 1980-89 und schließlich als Oberbefehlshaber der Streitkräfte 1988-89. Im Juli 1989 wurde er dann zum Staatspräsidenten gewählt und 1993 in seinem Amt bestätigt. 1997 durfte er dann nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren.
Rafsanjani war seit 1997 Chef des Schlichtungsrates, der bei Konflikten zwischen dem Wächterrat und dem Parlament als Vermittlungsinstanz fungiert. Auch sonst hatte er in allen Belangen ein Vetorecht. Böse Zungen in Teheran gehen sogar so weit zu behaupten, dass Rohani Rafsanjani bei all seinen Entscheidungen befragte. Nun ist Irans Richeleu tot und er wird den moderaten Kräften im Kampf gegen die Harldiner als wichtigster Fürsprecher fehlen.