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Irans Opposition ballt die Faust

Von WZ-Korrespondent Arian Faal

Politik

Regime lenkt Volkszorn gegen Washington. | Bassij-Milizen schlagen wieder zu. | Paris/Teheran. Irans Oppositionsbewegung ist zurück. Zum 30. Jahrestag des Geiseldramas an der US-Botschaft in Teheran gingen Exekutivbeamte gnadenlos gegen regimekritische Demonstranten vor.


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Die iranische Hauptstadt war am Mittwoch im Ausnahmezustand. Auch in anderen großen Städten kam es zu Zwischenfällen. Schon in den Morgenstunden lieferten sich paramilitärische Bassij-Milizen mit den Anhängern der "grünen Welle", Irans Reformbewegung, wilde Verfolgungsjagden. Auch die beiden Oppositions-Chefs Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karroubi, die in der umstrittenen zehnten Präsidentschaftswahl gegen Ahmadinejad unterlegen waren, sowie Ex-Präsident Mohammad Khatami zeigten sich am Donnerstag.

Seit der Wahl am 12. Juni 2009 nutzt die Opposition jeden festlichen Anlass und jeden Jahrestag, um gegen den Wahlbetrug, den sie der Führung vorwirft, zu demonstrieren. In der Islamischen Republik hatte es nach der Wiederwahl des Staatschefs die schwersten Unruhen seit drei Jahrzehnten gegeben. Milizen und Revolutionsgarden schlugen die Proteste der Opposition gewaltsam nieder. Tausende Menschen wurden verhaftet, mehrere getötet. Die letzte größere Demonstration gegen die Führung fand Mitte September statt.

Geschossen wurde auch gestern wieder. Augenzeugen berichten im telefonischen Gespräch mit der "Wiener Zeitung", dass die Milizen auf Passanten geschossen hätten. Mehrere vorwiegend junge Menschen seien verletzt worden, einer von ihnen befinde sich in Lebensgefahr.

Zudem - so Oppositionsquellen - setzte die Polizei Tränengas und Gummiknüppel gegen die Anhänger von Moussavi ein. Über die Teilnehmerzahl gibt es schwankende Angaben, die Opposition spricht von "zehntausenden Demonstranten".

In den frühen Nachmittagsstunden spitzte sich die Lage in Teheran zu: Während im Stadtzentrum rund um den sechsspurigen Vali-e-Asr Boulevard erste "Randalierer" festgenommen wurden, zogen andere Demonstranten mit "Tod dem Diktator"-Rufen durch die Straßen. Anrainer öffneten die Fenster und zeigten als Zeichen ihrer Solidarität das Peace-Zeichen.

Irans Medien berichteten nur über die regierungstreuen Anhänger, die gegen die USA auf die Straße gingen. Auch die ausländischen Journalisten durften nur von den offiziellen Programmpunkten berichten.

Peyman A., ein Journalist aus Teheran, beschreibt die Lage: "Zwischen dem, was wir berichten dürfen, und dem, was sich wirklich auf der Straße abspielt, liegen Welten, aber niemand will seinen Job verlieren. Dank Youtube und Twitter dringen Funken der Wahrheit ohnehin an die Außenwelt."

Feindbild USA

Eigentliches Feindbild sollte nicht die Regierung sein, sondern Washington. Der Iran unterhält seit 1979, als iranische Studenten die US-Botschaft in Teheran besetzt und die Mitarbeiter 444 Tage als Geiseln genommen hatten, keine diplomatischen Beziehungen zu den USA. Vor dem ehemaligen Botschaftsgebäude, das jetzt von den Revolutionswächtern genutzt wird, kommen jedes Jahr mehrere tausend Demonstranten zusammen, verbrennen US-Flaggen und skandieren antiamerikanische Parolen.

Dennoch hat US-Präsident Barack Obama den Persern zuletzt in einer Erklärung die Hand gereicht und seinen Willen, einen Neuanfang in den Beziehungen zu Iran zu wagen, bekräftigt: Die USA wollten eine auf "gegenseitigem Respekt" basierende Beziehung zum Iran".