Die kommenden Wochen werden für den Iran spannend. Derzeit ist die Lage heikel, weil sich die Protestbewegung nach den Präsidentschaftswahlen unabhängig von den Oppositionsführern entfaltet. Die Regierung hat begonnen, hart durchzugreifen, um eine Eskalation der Lage zu verhindern. Doch die Vorstellung, mit Hinrichtungen, Repressionen und wohl mittels Druck erzwungenen Aussagen mancher Oppositionspolitiker - wie jener von Mehdi Karroubi, wonach Mahmoud Ahmadinejad doch der rechtmäßige Präsident sei - verschwänden auch die Proteste, ist illusorisch. Der Führung würde es wenig nützen, wenn etwa Oppositionschef Mir Hossein Moussavi beseitigt wäre.
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Längst hat sich eine Eigendynamik entwickelt. Beispielsweise haben weder Karroubi noch Moussavi zu den Ashura-Protesten am 27. Dezember aufgerufen - und doch sind es die größten Demonstrationen seit einem halben Jahr geworden. Darum zittert die Regierung auch schon vor dem 6. Februar, dem 40. Todestag des verstorbenen Regimekritikers Großayatollah Hossein Ali Montazeri und vor dem 11. Februar, dem 31. Jahrestag der islamischen Revolution.
Die Oppositionsbewegung verdankt ihre Geburt dem strategischen Fehler des geistlichen Führers Ali Khamenei, den vermutlich manipulierten Wahlsieg Ahmadinejads vom Juni anerkannt zu haben. Moussavi hatte die Forderung der Oppositionsbewegung nach Neuwahlen mit jener nach einem neuen Wahlgesetz, der Freilassung politischer Gefangener sowie Presse- und Versammlungsfreiheit verknüpft. Doch inzwischen hat die brutale Niederschlagung der Proteste durch die Polizei den Ton verschärft. Das Motto lautet nun "Tod dem Diktator".
Allerdings weiß die Oppositionsführung, dass sie nur mit gewaltfreien Protesten Erfolg haben kann, da die Hardliner nur auf den Ausbruch von Gewalt warten, um die Opposition niederzuwalzen.
Siehe auch:Warnschuss an die Opposition: Erste Hinrichtungen nach Protesten im Iran