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Irans Regierung versucht nun Wechselkurse zu beeinflussen

Von Arian Faal

Politik

Gottesstaat nahe dem Wirtschaftskollaps.


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Teheran/Iran. Im Iran gerät der Oberste Führer Ayatollah Seyed Ali Khamenei wegen der akuten Wirtschaftskrise weiter unter Druck. Die die Wirtschaft bestimmenden Handelstreibenden (Bazari) in Teheran haben ihn aufgefordert, umgehend dafür zu sorgen, dass wieder eine "wirtschaftliche Normalität" einkehrt.

Khamenei muss gleich an vier wirtschaftlichen Fronten kämpfen: Zum einen steigen Arbeitslosigkeit und Inflation weiter an. Die Nationalwährung Rial hat seit November 2011 um fast 80 Prozent an Wert verloren. Ein Euro notiert derzeit bei rund 46.500 Rial, ein US-Dollar bei rund 38.000 Rial. In dieser Woche begann die Regierung "neue" Wechselkurse zu proklamieren, die wesentlich niedriger sind, doch die Geschäftsleute weigern sich bei diesem, wie sie sagen "abgekarteten Spiel, das den Iran in den wirtschaftlichen Abgrund führt", mitzumachen. Die Folge: Durch die horrende Talfahrt des Rial haben die Wechselstuben im Iran seit Tagen regelmäßig geschlossen. Auch die Schwarzhändler und illegalen Geldwechsler wurden durch die rigorosen Kontrollen der paramilitärischen Bassijmilizen im Finanzviertel "Ferdosi" vom Straßenbild verdrängt. Nach den Protesten von letzter Woche birgt der derzeitige Wirtschaftskollaps große soziale Sprengkraft, die am Ende das System selbst infrage stellen könnte.

Zum anderen plagen Ayatollah Khamenei die ewigen Zwistigkeiten innerhalb des engsten Führungszirkels seines Landes. Seit einigen Monaten hat er sich von seinem ehemaligen Schützling, Präsident Mahmoud Ahmadinejad, abgewendet und macht ihn und seine Gefolgschaft für die Misere verantwortlich.

Präsident Ahmadinejad verliert im Land an Rückhalt

Die Widersacher des Präsidenten nehmen diesen Vertrauensentzug Khameneis gerne zum Anlass, um Ahmadinejad bei jeder Gelegenheit öffentlich zu kritisieren. Zwei von ihnen, Parlamentspräsident Ali Larijani und der Chef des Schlichtungsrates Ali Akbar Hashemi Rafsanjani sind in diesen Tagen dabei, mit Khamenei Exitstrategien auszuarbeiten, da "die Regierung offenbar nicht dazu imstande ist". So wundert es nicht, dass nicht nur die Regierung, sondern Experten aus den Büros von Khamenei, Larijani und Rafsanjani mit Parlamentariern, Chefs der Banken und Wirtschaftstreibenden zusammenkommen, um einen Ausweg aus der Wirtschaftskrise zu suchen.

Außerdem macht Khamenei die jüngste EU-Außenminister-Sitzung Kopfzerbrechen. Da hat nämlich die EU zusätzlich zu dem seit 1. Juli geltenden Öl-Embargo gegen Teheran auch ein Gas-Embargo beschlossen. Die Folgen sind fatal. Die Schlagader der iranischen Wirtschaft, das Geschäft mit Öl und Gas, leidet durch die immer schwerer werdenden westlichen Sanktionen in Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm ohnehin schon ordentlich. Laut offiziellen Angaben hat der Iran im September 2012 täglich lediglich eine Million Barrel Öl exportiert. Im November des Vorjahres waren es noch 2,2 Millionen Barrel täglich. Als direkte Folge der Sanktionen schmerzen die Islamische Republik Verluste von rund 50 bis 60 Milliarden US-Dollar.

Letztlich muss sich Khamenei auch noch um die Kritik der religiösen Elite des Landes, allen voran die 86 Geistlichen des Expertenrates, kümmern, die für die Wahl (und damit auch Abwahl) des 73-jährigen obersten Rechtsgelehrten verantwortlich sind.

Die Mitglieder des Expertenrates, die auch großen Einfluss auf die Freitagsgebete und die religiöse Richtung des Landes haben, äußerten ihren Unmut über die aktuelle Lage des Landes und fordern "sofortige Maßnahmen, damit die Bevölkerung wieder atmen" könne.