Kandidatur von Rafsanjani sorgt für politisches Erdbeben.
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Es gibt ein Wort, das im Zusammenhang mit der kommenden iranischen Präsidentschaftswahl immer wieder genannt wird: Krisenmanager. Der schiitische Gottesstaat braucht also jemanden, der sich um die vielen Baustellen des Landes kümmert. Das Alltagsleben ist unleistbar geworden, die Grenzen zwischen Mittel- und Unterschicht sind verflossen. Die Politikverdrossenheit ist groß und man will endlich wieder eines: Normalität. Als Hauptindikator dafür sehen die Perser ein Ende der westlichen Sanktionen, die sich sehr stark auf ihren Alltag auswirken. Daher ist es klar, dass jeder der Präsidentschaftskandidaten - auch wenn die meisten es vermeiden, das Wort Krise in den Mund zu nehmen - das Land aus der internationalen Isolation führen will. Dazu gehört eine Lösung des Atomstreits mit dem Westen, um ein Ende der Sanktionen zu erreichen. Dann könnte die iranische Wirtschaft, die sich in den letzten drei Jahren auf einer horrenden Talfahrt befand, wieder aufatmen. Einer, dem die Perser laut neuesten Umfragen am ehesten zutrauen, der "ideale Krisenmanager" für das Land zu sein, ist Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani. Der Ex-Präsident, der offen von einer innen- und außenpolitischen Krise spricht, führt sämtliche Umfragen an. Der Mann, der gerne mit Kardinal Richelieu verglichen wird, der ebenfalls für seine Wendigkeit und sein diplomatisches Geschick bekannt war, hatte sich erst im letzten Moment entschlossen, zu kandidieren. Mit Sätzen wie "wir müssen das Vertrauen der Bevölkerung wiedergewinnen, es ist sehr viel schiefgelaufen während der bitteren Jahre unter Ahmadinejad" weiß Rafsanjani vor allem die junge Bevölkerung hinter sich. Er will die Arbeitslosigkeit, die schon die 20 Prozentmarke zu erreichen droht, die Geldentwertung, die in den letzten zwölf Monaten rund 70 Prozent betrug, und die innen- sowie außenpolitischen Querelen des Iran stoppen. Unumstritten ist der Politveteran der Islamischen Republik aber innerhalb der konservativen Elite nicht. Wenn er jedoch vom Wächterrat approbiert werden sollte, dann wird es schwer, ihn zu bremsen. Denn nach seiner Niederlage 2005 gegen Ahmadinejad setzt Irans Richelieu nach Jahren im politischen Abseits noch einmal alles auf eine Karte. Im Westen verbindet sich mit ihm erneut die zaghafte Hoffnung einer Entschärfung des Atomstreits.