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"Irgendwann als Spinner akzeptiert"

Von Petra Medek

Wirtschaft

Vorkoster darf es bei Zotter nicht geben. | Neue Projekte: Schokolade-Massagen und Franchise-Shops. | Wien. Seine Schokoladen sind dieser Tage in hunderten Nesterln gelegen. Man kauft sie, weil es dem Gewissen schmeichelt, faire und noch dazu Bio-Produkte zu schenken. Abseits von Feiertagen gerät dieser Gedanke vielleicht in den Hintergrund.


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Dem Meister des Süßen ist es hingegen bitter ernst damit. Josef Zotter kooperiert seit 2004 mit Fairtrade, seit 2006 ist seine Schokolade bio. Zotters Kakao kommt aus Nicaragua, Peru, der Dominikanischen Republik, Ecuador, Costa Rica, Panama, Brasilien und Bolivien. Mit verschiedenen Projekten unterstützt er dort nachhaltigen Kakaoanbau. Er zahlt seinen Bauern mehr als das Doppelte des Weltmarktpreises, erzählt Zotter stolz. "Qualität statt Armut" - das hat er sich auf die Fahnen geheftet. "Was wir dort jetzt machen, ist Sisyphusarbeit. 100 Jahre lang wurde Kakao nur als ein Rohstoff gesehen, egal wie er ausgesehen hat. Und jetzt kommen wir und reden von Sorten-Diversifikation". Wenn Zotter einer Unwissenden Einblick gewährt in sein Kakao-Universum, so tut er das zwar meist mit ernster Miene, doch mit leuchtenden Augen.

Grammelnussen für Deutsche

Wie ein Produkt beschaffen ist, richte sich danach, was ein Kunde dafür zu zahlen bereit ist. Dieser Überzeugung begegnet man in Gesprächen mit Josef Zotter immer wieder. Weniger produzieren, dafür Höherwertiges - das würde der Steirer überall gerne sehen. Bei Fleisch, Autos - und bei Schokolade. Eine hochwertige Schokolade sei ohnehin derart gut, dass man nur wenig davon essen könne, ist er überzeugt. Böse Zungen meinen, es liegt an den seltsam anmutenden Kreationen des Chocolatiers, dass manchmal ein Stück eines Zotter-Taferls schon satt macht. Schokolade mit Schweinegrammeln war eine seiner ersten Kreationen - die wollte niemand außer Zotter essen. Erst nachdem die Taferl mit "Grammelnussen" beschriftet wurden, gingen sie auch am Hauptexportmarkt Deutschland über die Ladentische - "weil die Deutschen nicht wissen, was das ist". Auch die Essig-Schokolade wollte sich als solche nicht so recht verkaufen, seit sie "Balsam-Karamell" heißt, läufts. Marketing made by Zotter eben; von den herkömmlichen Werkzeugen der Wirtschaft hält er dagegen nicht viel.

Im Schnitt gibt es rund 300 Sorten von Zotter-Schokolade, einige werden eingestellt, 60 bis 70 neue kommen pro Jahr dazu - alle einzig und allein vom Chef komponiert. Zotter besteht darauf, dass dabei nicht gekostet wird. "Ich bin nicht teamorientiert, was die Produktentwicklung betrifft. Jeder Test erzeugt nur Mittelmäßigkeit." Und überhaupt: "Marktforschung ist ja das Unwort des Jahrtausends." Derzeit aktuell: Eine Kokos-Fisch-Kreation - positives Feedback scheint sich in Grenzen zu halten. "Ich kann ihnen sagen, das ist nicht leicht."

Ganz neue Wege beschreitet Zotter außerdem gerade mit dem Hotel Loipersdorf Conference & Spa: Dort kommt seit kurzem seine Schokolade zum Einsatz - nicht auf dem Teller oder als Betthupferl, sondern exklusiv für Massagen und Peelings.

Auch im Vertrieb geht er neue Wege: Seit zwei Wochen hat der erste Zotter-Franchise-Shop in Salzburg geöffnet, weitere folgen. In den konventionellen großen Handelsketten war Zotter nie gelistet: "Da geht es nur mehr um Zahlen und Regalplätze, es herrscht Krieg." Lieferanten müssten sich ausquetschen lassen, der Konsument sei die Melkkuh. Aber jeder Einkauf bewege etwas im Hintergrund - "wenn eine Ware einmal drei Wochen im Regal liegen bleibt, gibt es sie danach nicht mehr".

Globalisierung? Zum Lachen

Seine originelle Einstellung ist bis nach Harvard gedrungen: Dort dient Zotter dieser Tage den Studenten als Studienobjekt. Man möchte ja Mäuschen spielen, wenn der Obersteirer den angehenden US-Star-Ökonomen seine Thesen darlegt, die er bei einer Plauderei immer wieder einflechtet: "Mit der Marktwirtschaft haben wir uns ins Knie geschossen" oder "Wenn einer von Globalisierung spricht, dann kann ich nur lachen. Hätte es diese wirklich gegeben, hätte wir all die Missstände nicht." Aber er ist sicher: "Wenn man ein bisserl ein Spinner ist, dann wird man irgendwann akzeptiert."

Da drängt sich die Frage auf: Haben Sie denn den richtigen Job ergriffen, Herr Zotter? Na ganz sicher, kontert er. "Ich versuche, Schokolade so gut wie möglich zu machen - und zwar mit so wenig Ressourcen wie möglich." Womit wir wieder beim Thema sind. Josef Zotters Herzblut eben. Apropos Blut: Welche neue Kreation würde ihn denn reizen? Blutschokolade, verrät er. Wie er es angehen will, weiß er aber noch nicht - außerdem habe seine Frau gesagt: "Wenn du das jetzt auch noch machst, ist es aber aus."

Zur PersonJosef Zotter wird 1961 in Riegersburg in der Steiermark geboren und wächst in einer Bauernfamilie auf. Er absolviert die Koch- und Kellnerlehre und arbeitet danach für verschiedene renommierte Häuser im In- und Ausland, etwa das Imperial in Wien. Nachdem er die Konditorlehre nachgemacht hat, versucht er sich 1987 in Graz als Kaffeehausbetreiber, geht jedoch 1996 in Ausgleich.

Erste Versuche zur Schokoladeherstellung macht Zotter schon 1992. Doch erst 1999 startet er professionell durch: Zotter baut den elterlichen Bauernhof um, aus dem Kuhstall wird die Schokoladeproduktion, die heute auf 5000 Quadratmeter gewachsen ist. Die Zotter Schokoladen Manufaktur startet mit 3 Mitarbeitern, heute sind es rund 100. Jährlich werden hier etwa 450 Tonnen Kakao, 250 Tonnen Zucker, rund eine Million Liter Milch aus Tirol, 1200 Kilo echte Vanille oder 15 Kilo Langpfeffer verarbeitet. Der Umsatz lag zuletzt bei rund 12 Millionen Euro, 55 Prozent stammen aus Österreich, der Rest wird hauptsächlich in Deutschland und Dänemark erwirtschaftet.

Nächstes Projekt: Der "Essbare Tiergarten". Er soll den Sinnzusammenhang zwischen Tier, Fleisch und Menschen wieder herstellen. "Es geht um Wissen und Respekt jenseits der Supermarktfleischpackerl."