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Irgendwann wollte ihn noch jeder

Von Judith Belfkih

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Er wolle sich nicht vereinnahmen lassen. Und er fürchte das vorauseilende Gewicht, das der Titel Literaturnobelpreisträger seinem Namen verleihen würde, begründete Jean-Paul Sartre 1964 seine Ablehnung des Preises. Dass er elf Jahre später bei der Akademie nachgefragt hat, ob man ihm doch noch das Geld überweisen könne, ist bittere Ironie. Bekommen hat er es nicht. Im Gegensatz zu einem anderen Ablehner: Der irische Dramatiker George Bernard Shaw wollte die Ehrung 1925 auch nicht annehmen, entschied sich aber um und spendete den Preis: "Das Geld ist ein Rettungsring, der einem Schwimmer zugeworfen wird, nachdem er das rettende Ufer bereits erreicht hat", wird Shaw zitiert. Die dritte bisherige Ablehnung, 1958 durch Boris Pasternak, geschah auf Druck der sowjetischen Führung. Sein Sohn nahm den Preis nach Pasternaks Tod dann doch entgegen. Gewollt haben ihn also noch alle. Irgendwie. Irgendwann. Und Bob Dylan?

Das Nobelpreis-Komitee hat längst aufgegeben, ihn persönlich zu erreichen. Dylan selbst schweigt nicht nur, am Freitag war der Hinweis auf den Preis von seiner Website gelöscht worden. Ist er klüger als das Komitee und weiß, dass ihm der Preis nicht zusteht? - witzeln Dylan-Kritiker. Wieso sollte er sich für etwas bedanken, worum er nie gebeten hat? - verteidigen ihn Fans. Ob er im Dezember zur Verleihung nach Stockholm kommen wird, bleibt zu bezweifeln. Bisher hat er den Preis ja nicht einmal abgelehnt, sondern die Schweden schlicht mit Nichtbeachtung bedacht. "Eine größere Ohrfeige als durch Sartre hat die Akademie noch nicht erhalten", urteilte die skandinavische Presse 1964. Dylan könnte das ändern.